Rom - Band II
Pfennig der Reichen und Armen, das Scherflein der Geringsten übersandten, damit das Papsttum stolz und unabhängig sein und seine Gegner verachten könne. Er sprach auch von Frankreich, beklagte seine Irrtümer, weissagte seine Rückkehr zu den gesunden Ueberlieferungen und gab stolz zu verstehen, daß es das reichste, das freigebigste Land war, von wo aus Gold und Geschenke in einem ununterbrochenen Strom nach Rom flossen. Endlich erhob sich Leo XIII. und antwortete dem Bischof und dem Baron. Seine Stimme war stark, sehr näselnd und überraschte, da sie aus einem so dünnen Körper kam. In wenigen Sätzen drückte er seine Dankbarkeit aus und sagte, wie sehr sein Herz durch diese Ergebenheit der Nationen gegen das Papsttum gerührt sei. Mochten die Zeiten auch schlecht sein – der endliche Sieg konnte nicht mehr lange ausbleiben. Sichtliche Zeichen verkündeten, daß die Völker zum Glauben zurückkehren, daß die Missethaten bald unter der allgemeinen Herrschaft Christi aufhören würden. Was Frankreich betraf – war es nicht die älteste Tochter der Kirche, hatte es dem Heiligen Stuhle nicht allzu viele Beweise von Liebe gegeben, als daß dieser je aufhören könne, es zu lieben? Dann erhob er die Arme und erteilte allen anwesenden Pilgern, den von ihnen vertretenen Gesellschaften und Werken, ihren Familien und Freunden, Frankreich und allen katholischen Nationen seinen apostolischen Segen zum Dank für die kostbare Hilfe, die sie ihm überbrachten. Wahrend er sich dann niederließ, brach ein rauschender, frenetischer Beifall los, der zehn Minuten lang dauerte, vermischt mit Vivatrufen, mit unartikulirten Schreien – ein Sturm entfesselter Leidenschaft, der den Saal erzittern ließ.
Und während diese wütende Anbetung tobte, betrachtete Pierre Leo XIII., der wieder unbeweglich auf dem Throne saß. Angethan mit der päpstlichen Mütze und der roten, hermelinbesetzten Pelerine, in der langen weißen Sutane besaß er die hieratische Steifheit des Götzenbildes, das von zweimalhundertundfünfzig Millionen Christen verehrt wird. Auf dem purpurnen Hintergrund der Vorhänge des Baldachins, zwischen dieser flügelartigen Raffung der Draperien, wo etwas wie eine Glut der Verklärung brannte, nahm er eine wirkliche Majestät an. Das war nicht mehr der schwache Greis mit den ruckweisen Schrittchen und dem gebrechlichen Halse wie ein armer, kranker Vogel. Die affenartige Häßlichkeit des Gesichtes, die zu starke Nase, der zu weit geschlitzte Mund, die verschobenen und ausgetrockneten Züge verschwanden. In diesem wächsernen Gesichte war nichts zu unterscheiden als zwei wunderbare, schwarze und tiefe Augen voll ewiger Jugend, voll außerordentlichem Geist und Scharfsinn. Ein unwillkürliches Recken der ganzen Gestalt, das Bewußtsein, daß er die Ewigkeit repräsentire, ein königlicher Adel, der ihn umgab, riefen den Eindruck hervor, daß er nichts mehr sei, als ein Hauch, eine reine Seele in einem Körper aus Elfenbein, einem Körper so durchsichtig, daß man bereits die Seele zu sehen glaubte, wie sie sich von den Fesseln des Irdischen befreite. Nun fühlte Pierre, was ein solcher Mann, der Pontifex, der König über zweimalhundertundfünfzig Millionen gehorsamer Unterthanen, für diese frommen und leidenden Geschöpfe sein mußte, die aus so weiter Ferne kamen, um ihn anzubeten: der Glanz der Mächte, die er verkörperte, schmetterte sie zu seinen Füßen nieder. Hinter ihm, in dem Purpur der Vorhänge, that sich plötzlich das Jenseits auf, die Unendlichkeit des Idealen und der blendenden Verklärung! In einem einzigen Wesen, dem Auserkorenen, dem Einzigen, dem Uebermenschlichen verkörperten sich so viele Jahrhunderte der Geschichte seit dem Apostel Petrus, so viel Kraft, Genie, so viele Kämpfe und Siege! Und dann, welch Wunder, welch unaufhörlich erneutes Wunder: der Himmel ließ sich herbei in diesen menschlichen Körper hinabzusteigen, Gott wohnt in diesem Diener, den er sich aus der ungeheuren Menge der anderen Lebenden auserwählt und geheiligt hat, indem er ihm alle Macht und alles Wissen gab! Welch heilige Verwirrung! Welch Schrecken! Welch rasende Zärtlichkeit! Gott ist in einem Menschen, Gott schaut unablässig aus seinen Augen, spricht aus seiner Stimme, strömt aus jeder seiner segnenden Geberden aus! Wer stellt sich diese ungeheure, unumschränkte Macht eines unfehlbaren Monarchen vor – die vollständige Gewalt in dieser Welt und das Heil in der andern, ein sichtbarer Gott! Und wie begreiflich
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