Rom - Band II
Frau geschlagen worden, die sein war und sich ihm verwehrt hatte, indem sie sich einem andern aufbewahrte. Es war vergeblich, daß seine Freundin Lisbeth ihm ein Kind geschenkt hatte: die Beschuldigung des Unvermögens, diese Beschimpfung seiner Männlichkeit, erstand ohne Unterlaß und schwellte sein Herz mit blindem Zorn. Ein heftiger, plötzlicher Schauer schüttelte ihn, als sei ihm ein wahrer Eishauch über die Haut gelaufen, und plötzlich fügte er, dem Gespräch eine andere Wendung gebend, hinzu:
»Es ist heute abend wirklich nicht warm ... Das ist die böse Stunde in Rom, die Stunde nach Sonnenuntergang, wo man sich sehr leicht ein schönes Fieber holen kann, wenn man sich nicht in acht nimmt ... Da, ziehen Sie die Decke besser über die Beine; wickeln Sie sich sorgfältig ein.«
Dann, während sie sich der Porta Furba näherten entstand wieder Schweigen; es war noch schwerer als vorhin und glich dem unbesiegbaren Schlummer, der die von der Nacht verschlungene Campagna einschläferte. Endlich erschien in dem Licht heller Sterne das Thor: es war nichts anderes als ein Bogen der Acqua Felice, unter dem die Straße hindurchging. Dieser Rest der Wasserleitung schien aus der Ferne mit der ungeheuren Masse alter, halbzerfallener Mauern den Durchweg zu versperren. Dann that sich der riesige, ganz von Schatten erfüllte Bogen wie ein gähnendes Thor auf, und der Wagen fuhr in voller Finsternis, unter noch lauterem Rädergerassel hindurch.
Als sie auf der andern Seite angelangt waren, hielt Santobono den kleinen Korb Feigen noch immer auf den Knieen, und Prada blickte ihn verstört an; er fragte sich, durch welche plötzliche Lähmung seine beiden Hände verhindert worden seien, den Korb zu ergreifen und ins Dunkel zu werfen. Und doch war er noch wenige Sekunden vor dem Einfahren unter der Wölbung dazu entschlossen gewesen. Er hatte ihn sogar noch einmal angesehen, um die Bewegung, die er zu machen haben würde, genau zu berechnen. Was war also in ihm vorgegangen? Er fühlte, daß er die Beute einer wachsenden Unschlüssigkeit, daß er fortan nicht im stande war, etwas Bestimmtes zu wollen, da er in dem heimlichen Gedanken, vor allem sich selbst vollständig zu befriedigen, das Bedürfnis empfand, zu warten. Warum sollte er sich jetzt, da doch Dario zweifellos fort war und die Feigen sicherlich nicht vor dem nächsten Morgen gegessen werden würden, beeilen? Noch an diesem Abend mußte er erfahren, ob die Konzilkongregation seine Ehe annullirt habe – würde er wissen, bis zu welchem Grade die Gerechtigkeit Gottes käuflich und lügnerisch war. Gewiß, vergiften würde er niemanden lassen, nicht einmal den Kardinal Boccanera, an dessen Existenz ihm doch so wenig lag. Aber war dieser kleine Korb nicht seit der Abfahrt von Frascati das schreitende Schicksal? Erlag er nicht, indem er sich sagte, daß er die Macht besaß, es aufzuhalten oder bis ans Ende seines tödlichen Werkes gehen zu lassen, einem unbeschränkten Machtgenuß? Uebrigens gab er sich dem unklarsten aller Kämpfe hin; er suchte nicht mehr nach Gründen, seine Hände waren so gebunden, daß er nicht anders handeln konnte. Ueberzeugt, daß er vor dem Schlafengehen einen Warnungsbrief in den Briefkasten des Palastes werfen würde, war er dennoch glücklich bei dem Gedanken, daß er es nicht thun würde, wenn er ein Interesse daran hätte, es nicht zu thun.
Nun wurde der letzte Teil der Straße inmitten dieser matten Stille, in dem Schauer des Abends zurückgelegt, der die drei Männer erstarrt zu haben schien. Vergeblich kam der Graf, um dem Kampf seiner Betrachtungen zu entgehen, wieder auf den Empfang bei den Buongiovannis zu sprechen, erzählte Einzelheiten, schilderte die Pracht, der man beiwohnen würde – er brachte nur wenige, befangene und zerstreute Worte hervor. Dann bemühte er sich, Pierre zu trösten, ihm die Hoffnung wiederzugeben, indem er von dem liebenswürdigen, so verheißungsvollen Kardinal Sanguinetti sprach; aber obwohl der junge Priester sehr glücklich und in dem Gedanken heimkehrte, daß sein Buch noch nicht verdammt sei und daß er vielleicht, wenn man ihm half, siegen würde, so antwortete er kaum und gab sich ganz seiner Träumerei hin. Santobono sprach nicht, rührte sich nicht; er war gleichsam in der dunklen Nacht verschwunden. Die Lichter Roms hatten sich vervielfältigt; rechts und links erschienen wieder Häuser, anfangs in weiten Zwischenräumen, nach und nach in ununterbrochenen Reihen. Das war die Vorstadt; dann
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