Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition)
bessere Presse beschieden als in der Türkei.
Mein zweiter Film, Nebel , die Geschichte eines auf den Staat vertrauenden Richters und seiner beiden politisch engagierten Söhne zur Zeit des ersten Militärputschs, hatte wesentlich mehr Erfolg in der Türkei, nahm aber auch an mehreren internationalen Festivals teil.
Einige Jahre später kam dann endlich auch das schon seit Jahren geplante Filmprojekt mit Türkân Şoray zustande. Ich schrieb ein Drehbuch mit dem Titel Ş ahmaran – Ein Istanbuler Märchen und wollte in dem Film das moderne Istanbuler Leben und den Mythos der Stadt ineinander verweben und eine zwischen Wirklichkeit und Märchen changierende Atmosphäre schaffen, doch gelang mir das leider nur sehr unzureichend. Es kam deshalb am Set zu unerfreulichen Szenen, und auf die für einen Film fatalste Weise gerieten das Filmpersonal und die Werbeleute aneinander. Obwohl der Film beeindruckende Szenen enthielt, blieb er insgesamt um einiges hinter seinen beiden Vorgängern zurück.
Das Schöne an der Zeit damals war die Zusammenarbeit mit Türkân Şoray, die mit absoluter Professionalität bei der Sache war und mir nie ihre Unterstützung versagte. Sie war damals der große türkische Filmstar, und ich sah sie auch immer als das Gesicht der Türkei. Ein Schauspieler wird unsterblich, wenn sich ein Volk in seinem Gesicht wiedererkennt, und je authentischer er wirkt, umso unvergesslicher werden seine Filme sein.
Bevor die Araber die Sängerin Oum Kalsoum als »Stimme der Wüste« verehrten und die Italiener in Sophia Loren den Inbegriff südländischer Weiblichkeit sahen, bedurfte es jeweils eines langwierigen und komplizierten Prozesses. In der Türkei tat sich im Lauf der Zeit so manche hübsche Schauspielerin hervor, und während einige davon mit ihrem europäischen Einschlag unserer Sehnsucht nach dem Westen Ausdruck verliehen, erinnerten uns andere eher an unsere Wurzeln. Keine aber hat je das Gesicht der türkischen Frau so sehr versinnbildlicht wie Türkân Şoray. Die großen schwarzen, traurig dreinblickenden Augen der Türkinnen haben es durch Türkân Şoray auf die Kinoleinwand geschafft.
Ihr Gesicht kann nicht das einer Belgierin sein, nicht das einer Französin, Engländerin, Amerikanerin, Inderin, Italienerin oder Araberin. Es spiegelt vielmehr eine der Türkei ganz eigene Chemie wider. Man spürt bei ihr sofort diesen spezifisch anatolischen Blick heraus, diese Mischung aus Millionen von Frauengesichtern.
Darum sind auch Leute, die sie zunächst nicht mochten und zu wenig »europäisch« fanden, mit der Zeit doch ihrem Charme erlegen. Wie immer hat das Ursprüngliche, Echte sich durchgesetzt und über das Künstliche und Aufgezwungene triumphiert.
A ls Vorsitzender des Auswahlkomitees für den Europäischen Filmpreis bekam ich Ende 1990 einen Anruf vom Sekretariat der Europäischen Filmakademie. Die Verleihung des Preises sollte in Glasgow stattfinden, und Ingmar Bergman wollte mich zu den Besprechungen der Jury hinzuziehen, die unter seinem Vorsitz in dem abgelegenen Golfhotel Turnberry tagte.
Das um diese Jahreszeit halbverlassene Hotel wirkte in der schottischen Nebellandschaft wie eine Torte mit Zuckerguss. Von meinem Fenster aus sah ich die Atlantikwellen, die an die Küste schlugen, und einen von kreischenden Möwen umflogenen Leuchtturm. Während die Umgebung sehr an Virginia Woolf erinnerte, hätte das Innere des jahrhundertealten Hotels aus einem Krimi von Agatha Christie stammen können. Ich fand in meinem Zimmer eine Notiz vor, laut der die Jury-Mitglieder sich um sieben Uhr abends im Gästesalon des Hotels im ersten Stock einfinden sollten.
Als ich Punkt sieben den Salon betrat, sah ich fünf, sechs Personen in hohen Lehnstühlen stumm vor dem prasselnden Kaminfeuer sitzen. Ein befrackter Kellner servierte Lagavulin-Whisky.
Dem Kamin am nächsten saß Ingmar Bergman, ihm gegenüber die Hollywood-Legende Deborah Kerr und daneben Jeanne Moreau. Ich spürte gleich die Anspannung, die in dem Raum herrschte. Alle sahen mich an, und als wir einander vorgestellt waren, setzte ich mich zu den anderen und bekam ebenfalls einen Lagavulin serviert. Das Schweigen ging weiter, und alle waren bemüht, jeden Augenkontakt zu vermeiden.
Da regte sich Ingmar Bergman in seinem Sessel, hüstelte kurz und sagte: »Schon eine komische Situation, was?« Alle nickten. »Und ob.«
Bergman fuhr fort: »Es ist hier wie bei Agatha Christie: Lauter Menschen, die sich untereinander nicht
Weitere Kostenlose Bücher