Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition)
das widerspenstige Auswahlkomitee auch den Film des berühmten Peter Greenaway abgelehnt.
Daher also rührten Ingmar Bergmans Nöte. Er war unter Druck geraten und setzte mich darüber in Kenntnis, aber was er eigentlich von mir wollte, weiß ich bis heute nicht. Unsere Entscheidungen waren nun mal getroffen, und während mit kleinem Budget gedrehte Filme die Vorauswahl überstanden hatten, waren einige Großproduktionen gescheitert. Ich verglich danach die von uns getroffene Wahl mit der von Cannes, und tatsächlich ergaben sich überhaupt keine Übereinstimmungen. Wir hatten aber völlig frei entschieden und uns dabei von keinerlei politischen Erwägungen leiten lassen.
Ingmar Bergman kam somit aus seinem Schlamassel nicht heraus. Er sah deutlich, dass wir Recht hatten, wusste aber nicht, wie er mit den Einflüsterungen von außen umzugehen hatte.
»Ich hätte mich auf diesen Jury-Vorsitz überhaupt nicht einlassen sollen«, sagte er. »Jedesmal wenn ich mich von meiner Insel fortbewege, habe ich nur Ärger.«
Ich wusste, dass er auf dem schwedischen Inselchen Fårö wohnte, und fragte ihn nach seinem Leben dort.
»Ich habe mit niemandem Kontakt«, sagte er. »Mir genügen meine Bücher und die Natur und mein Kino.« Er hatte sich in einer ehemaligen Mühle einen Kinoraum eingerichtet und wurde regelmäßig vom Schwedischen Filminstitut beliefert. »Jeden Nachmittag um drei ist Kinozeit.«
Selbst wollte er nicht mehr drehen. Er hatte über die Liebesgeschichte seiner Eltern ein Drehbuch verfasst und plante, es von dem dänischen Regisseur Bille August verfilmen zu lassen.
Während der drei Tage im Hotel Turnberry kamen wir auf die abgelehnten Filme nicht mehr zu sprechen. Bergman hatte ständig Magenschmerzen und übergab sich nachts. Am letzten Tag kehrte er nach Schweden zurück, ohne an der in ganz Europa ausgestrahlten Preisverleihung überhaupt teilzunehmen. Die Einsamkeit von Fårö war gewiss wohltuender als ein Abend mit vorwurfsvollen Filmleuten im Smoking. Es gab aber noch einen Grund für seine Abreise, den er mir zuvor noch mitteilte.
»Für die Kategorie der besten Darstellerin haben Sie gleich drei Schwedinnen nominiert.«
»Ja, stimmt …«
»Das ist eine Katastrophe für mich! Die waren alle drei meine Geliebten; wie soll ich da eine auswählen?«
In Glasgow wurde ich fast wie ein Übeltäter behandelt. Als ich Sir Richard Attenborough vorgestellt wurde, sagte er: »Also Sie haben den englischen Film rausgeworfen?« »Ja«, erwiderte ich. »Das ist eine Beleidigung, mein Lieber. Eine Beleidigung für England.« Und ließ mich stehen.
Beim Essen nach der Preisverleihung stand dagegen eine Reihe junger Filmemacher auf und beklatschte die »reformfreudige Jury«.
Mir war nach dieser Erfahrung um einiges deutlicher, unter welchen Einflüssen internationale Preise vergeben werden. Auf einem Flughafen traf ich später einmal Peter Ustinov, der gerade vom Filmfestival in Venedig kam und schimpfte: »Nichts als Intrigen!«.
B ei vielen Künstlern stimmen Bühnenauftreten und wahre Persönlichkeit nicht überein, und bei anderen ist es genau umgekehrt. Zu Letzteren gehört beispielhafterweise Joan Baez, bei der das Singen eine natürliche Fortsetzung ihres sonstigen Lebens ist. Zum ersten Mal auf der Bühne stand ich mit ihr bei dem Friedenskonzert im Hamburger St. Pauli-Stadion. Später kam es zu mehreren Begegnungen in der Türkei.
Am Vorabend eines Konzerts von Joan Baez im großen Istanbuler Freilufttheater saßen wir in einem Lokal im Rumelihisarı am Bosporus zusammen. Joan sollte bei dem Konzert zwei Lieder von mir singen, und zwar auf Türkisch. Zu später Stunde schlug sie vor, ich sollte dabei mit auf die Bühne, aber das war mir nicht recht. Ich hatte schon länger kein Konzert mehr gegeben und bereitete mich auf eine Sommer-Tournee vor. Außerdem mutete mich sonderbar an, in meinem eigenen Land bei Joan Baez als Gast aufzutreten. Wir diskutierten eine Weile hin und her, aber ich konnte die hartnäckige Joan nicht überzeugen, die unbedingt wollte, dass wir gemeinsam singen.
Als letzte Ausflucht schob ich meinen Geburtstag vor, den ich am folgenden Tag, dem 20. Juni, tatsächlich hatte. Zwar pflegte ich meinen Geburtstag nicht groß zu feiern, aber als Vorwand kam er mir gerade recht. Wie hätte ich wissen sollen, dass ich damit genau die umgekehrte Wirkung erzielte?
»Wunderbar!«, rief Joan und klatschte in die Hände. »Den feiern wir auf der Bühne.«
Ich gab mich
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