Roman
persönlich, aber aus den Erzählungen ihrer Patientin konnte sie ihn sich ziemlich gut vorstellen. Ein erfolgreicher Unternehmensberater, der viel umherreiste und offensichtlich wenig Lust verspürte, übermäßig viel Zeit daheim mit zwei Möpsen zu verbringen.
Kristina hatte kein Problem damit, Frau von Dannewald etwas Gutes zu tun, nur diese Wehleidigkeit nervte. Sie ging zur Tür, um den Raum wieder zu verlassen. Während Frau von Dannewald unter der Fangopackung durchgarte, konnte sie sie getrost zehn Minuten allein lassen. Doch dazu kam sie nicht.
„Wissen Sie, wen ich heute Morgen bei meinem Gynäkologen getroffen habe?“, fragte Frau von Dannewald unvermittelt.
Kristina entging der hinterhältige Unterton nicht, der bei dieser Frage mitschwang. Das Leidende in der Stimme war wie weggeblasen. Sie war auf der Hut.
„Ihren Mann“, sagte Frau von Dannewald.
„Meinen Mann?“
„Ja, bei meinem Frauenarzt.“
„Isch abe gar keinen Mann“, entgegnete Kristina amüsiert.
Frau von Dannewald hob den Kopf und wollte sie ansehen. Das gelang ihr jedoch nicht, da Kristina am Fußende der Liege stand.
„Nicht doch, Frau von Dannewald. Denken Sie an Ihren Rücken.“
Die Frau ließ den Kopf wieder sinken. „Ich meinte natürlich Ihren Ex-Mann. Und er war nicht alleine dort.“
„Soso.“ Vielleicht ist die Fangopackung zu heiß, und die Hitze hat ihr das Hirn versengt, überlegte Kristina kurz.
„Er war in Begleitung einer Frau, einer sehr jungen Frau.“
„Aha.“ Sie verspürte keine Lust auf diese Unterhaltung, aber sie wusste, dass sie aus dieser Nummer so schnell nicht herauskommen würde.
Frau von Dannewald ließ tatsächlich nicht locker und fügte hinzu: „Und diese Frau ist eindeutig schwanger. Das Bäuchlein war nicht zu übersehen.“
Kristina schnappte nach Luft. Sie wusste, dass ihr Ex-Mann, von dem sie seit fünf Jahren geschieden war, eine Freundin hatte. Eine sehr junge Freundin. Peter hatte ihr seine Julia vorgestellt. Sie war gerade mal 35 Jahre alt, 20 Jahre jünger als Peter, zehn Jahre jünger als sie selbst. Sie hatte nicht erwartet, dass er sich für ein älteres Modell interessieren würde. Das taten Männer nie. Klischees stimmten ja immer dann, wenn sie besonders peinlich waren.
Ihr Ex und seine Neue waren nun seit einem Jahr ein Paar. Und bei den diversen Familientreffen, zu denen sie seitdem gemeinsam auftauchten, wich Julia nicht einen Zentimeter von seiner Seite. Wie ein siamesischer Zwilling. Für Kristina und die gemeinsamen Kinder Sophie und Philipp war das kein Problem. Aber dass Peter jetzt noch einmal Vater werden sollte, traf sie wie ein Faustschlag. Und ausgerechnet der Mops überbrachte ihr diese Nachricht.
„Aber Sie wissen das sicher längst, nicht wahr?“, legte Frau von Dannewald nach.
Kristina hatte es nicht gewusst, und sie hatte auch keine Antwort darauf. Verwirrt griff sie nach der Fangopackung und warf sie in den großen Eimer neben der Tür. Blödmann, notgeiler Blödmann, ärgerte sie sich im Stillen.
„Na ja, Männer machen sich da ja keine großen Gedanken über ihr Alter. Und bei einer so jungen Frau ist das ja auch kein Wunder …“, plapperte Frau von Dannewald munter weiter.
Kristina hörte gar nicht mehr zu. Energisch begann sie, den Rücken ihrer Patientin durchzukneten. Vor ihrem inneren Auge sah sie dabei Peter, der mit stolzgeschwellter Brust neben seiner hübschen jungen Frau herging, die den Kinderwagen schob. Kristina rechnete nach. Peter würde 62 sein, wenn das Kind in die Schule kam.74, wenn es sein Abitur machte. Vermutlich wäre er 80, wenn der Nachwuchs dann sein Studium beendete – vorausgesetzt, alles lief nach Plan. Und bei Peter war eigentlich immer alles nach Plan gelaufen. Nach seinem Plan.
Was hat er, was ich nicht hab?, grübelte Kristina. Das war einfach gemein. Seit der Scheidung lief in Peters Leben alles glatt. Neue Wohnung, Erfolg im Job, junge Frau. Und jetzt auch noch ein Kind. Sie kannte Peter. Dieses Kind war kein Unfall. Kristina spürte, wie die Wut in ihr aufstieg. Sie stellte sich vor, wie Peter als Brautvater im Rollstuhl vor den Altar geschoben werden müsste und wie sein Hörgerät dabei pfeifen würde. Das geschieht ihm recht, dachte sie hämisch.
„Das ist doch ein Witz“, fluchte Kristina ungewollt laut und bemerkte erst jetzt, dass sie Frau von Dannewalds Rücken wie einen Hefeteig bearbeitete.
„Nein, das ist kein Witz“, ächzte Frau von Dannewald und fuhr empört fort: „Sie tun
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