Roman
mir weh.“
Erschrocken sah Kristina die roten Flecken auf der Haut ihrer Patientin. „Oh, das tut mir leid. Aber ich musste diese furchtbare Verspannung beheben“, log sie beschämt, „und ich glaube, das ist mir gelungen.“
„Im Moment sind die Schmerzen noch stärker als vorher“, jammerte Frau von Dannewald.
„Das hört gleich wieder auf. Ich trage ein kühlendes Gel auf, und danach fühlen Sie sich wie neugeboren.“ Damit hatte sie ihrer Patientin allerdings unfreiwillig ein Stichwort geliefert.
„Wann soll das Baby denn kommen?“, fragte Frau von Dannewald, richtete den Oberkörper auf und musterte Kristina aufmerksam.
Jetzt macht der Mops auch noch die Kobra, dachte Kristina und rang sich ein Lächeln ab. „Nach neun Monaten, wenn ich mich recht erinnere. Wir sind so weit fertig, aber lassen Sie sich ruhig Zeit. Wir sehen uns dann beim nächsten Mal“, erwiderte sie knapp und verließ schnell den Behandlungsraum. Der Termin mit Frau von Dannewald war endlich überstanden.
Draußen traf Kristina auf Rita, die gerade gehen wollte.
„Was hast du heute noch vor?“, fragte Rita.
„Ich wollte joggen gehen, und später mache ich mir eine Gemüseterrine. Wieso?“
Da das Botox ihre mimischen Fähigkeiten stark einschränkte, schüttelte Rita nur missbilligend den Kopf. „Joggen? Das ist nicht gut fürs Gewebe. Durch den Aufprall beim Laufen wird die Haut im Gesicht und an den Beinen nach unten gezogen. Das Ergebnis: oben Doppelkinn, unten Dellen.“
„Vielen Dank für den Hinweis. Ich binde mir das Kinn hoch und ziehe Stützstrümpfe an“, konterte Kristina.
„Das ist das mindeste. Und dann diese Terrine. Besser als Kochen wäre Sex. Das macht nicht nur schlank, sondern auch gute Laune.“
„Sehr witzig. Ich kann ja mal über einen Aushang in der Praxis nachdenken.“
„Das wäre ein Anfang.“ Rita hängte ihre übergroße Handtasche über die Schulter.
„Willst du etwa verreisen?“, fragte Kristina.
„Quatsch. Die hat Sebastian mir geschenkt“, antwortete Rita voller Besitzerstolz und drehte sich spielerisch mit der Tasche.
„Mmm …“, machte sie. „Ist die nicht ein bisschen zu groß?“
„Du lebst wirklich hinterm Mond“, meinte ihre Freundin. „Das trägt man heutzutage so. Und diese Tasche ist ein absolutes Muss.“
„Sieht jedenfalls teuer aus.“
„Kostet locker ein Monatsgehalt“, erklärte Rita. „Aber Sebastian hat’s ja.“
„Und was kriegt er als Gegenleistung dafür?“
„Hoffnung, meine Liebe. Hoffnung!“ Rita warf den Kopf in den Nacken. „Ciao, ciao, bis morgen.“
„Viel Spaß heute Abend.“
„Den werd ich haben“, erwiderte Rita grinsend und schwebte hinaus.
Kristina schloss die Eingangstür zu ihrer Praxis von innen ab. Am gegenüberliegenden Ende des Flurs befand sich der Eingang zu ihren Privaträumen. Arbeiten und Wohnen am selben Ort – Kristina genoss diesen Zustand. Sie hatte das Haus nach der Scheidung von Peter behalten. Schließlich war es ihr Elternhaus, in dem Peter und sie jahrelang gewohnt und eine Familie gegründet hatten. Ihre Eltern hatten ihr damals das freistehende Eigenheim im Münchner Stadtteil Altperlach überschrieben und waren in die Wohnung in der Innenstadt gezogen, in der bislang Kristina und Peter gewohnt hatten. Dieser Tausch hatte für alle Parteien nur Vorteile gehabt.
Es war ein ganz normales Haus, wie es jedes Kind malen würde. Ein kleiner Garten umgab das Gebäude, und Kristina liebte es sehr. Alles um sie herum hatte sich verändert, aber diese Mauern hatten jedem Sturm widerstanden. Um nichts in der Welt würde sie dieses Haus aufgeben. Hier war sie bis auf wenige kurze Unterbrechungen seit ihrer Geburt zu Hause. Nachdem sie Peter kennengelernt hatte, war sie mit ihm zusammengezogen. Aber mit der Schwangerschaft war sie in ihr Elternhaus zurückgekehrt.
Für Kristinas Eltern hatte die kleinere Wohnung weniger Aufwand und mehr Freiheit bedeutet. Statt eines Gartens hatten sie nun einen Balkon gehabt, auch das Treppensteigen war unnötig geworden. Kristina und Peter wiederum hatten nach der Geburt der Zwillinge mehr Platz gebraucht. Einen Garten für die Kinder zu haben, war ihr damals wie ein ganz besonderer Luxus vorgekommen.
Nach der Trennung hatte Peter dann freiwillig das Feld geräumt und hatte sich eine neue Wohnung im Münchner Nobelviertel Bogenhausen gesucht. In der ersten Zeit hatte Kristina ihn um die Veränderung beneidet. Er hatte komplett neu anfangen können, während sie am
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