Romana Exklusiv 0172
anschließend einen Spaziergang durch den Garten.“
Dort fand Schwester Claudia sie, und sagte ihr Bescheid, sie könne die Signora nun wieder besuchen.
Das ließ Harriet sich nicht zwei Mal sagen.
Vittoria strahlte, als Harriet das Zimmer betrat. Zunächst unterhielten sie sich über Rosas Hochzeit und Claires Operation, dann fragte die Signora: „Sag mal, Liebes, bist du eigentlich glücklich?“
Harriet sah sie erstaunt an und ließ sich mit der Antwort Zeit. „Das kommt darauf an, was du unter Glück verstehst, Nonna“, erwiderte sie schließlich.
„Ich meine, so wie Mirella und Rosa. Es würde mich freuen, wenn du auch so glücklich wärst.“
„Wenn du auf Leo anspielst, dann kannst du es vergessen“, erklärte Harriet unverblümt. „Er empfindet nicht dasselbe für mich wie Franco für Mirella und Pascal für Rosa.“
„Ach, du meinst, er will dich nicht heiraten?“
Harriet nickte. „Genau. So, und nun könnte ich dir doch etwas vorlesen, oder?“ Für sie war das Thema damit beendet. Sie machte sich keine Hoffnungen auf ein Happy End mit Leo, ließ sich jedoch nicht anmerken, wie traurig sie darüber war. Immerhin konnte sie etwas Zeit mit seiner Großmutter verbringen. Nachdem sie ihr vorgelesen hatte, schlug die Signora vor, sich Fotoalben mit Familienfotos anzusehen.
Die Zeit verging wie im Flug. Vittoria Fortinari erzählte Harriet zu jedem Foto eine Geschichte. Fasziniert hörte Harriet zu. Am meisten interessierten sie die Fotos von Leo als Kind und Teenager und dann als junger Mann mit seiner Verlobten.
„Ist das Luisa Bracco?“, fragte sie.
„Ja, auf dem Foto ist sie ganz hübsch, aber davon ist jetzt nichts mehr zu sehen. Immerhin hat sie sich einen gewissen Stil bewahrt, was man von ihrer Schwester Sophia nicht gerade behaupten kann. Die kämpft mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln gegen das Altern an und gibt dafür Marco Rossis Geld aus.“
Harriet lachte amüsiert und öffnete das nächste Album.
„Diese Partyfotos wurden vor meiner Heirat aufgenommen“, erzählte die Signora und zeigte auf die Aufnahmen zweier junger Mädchen in langen Umhängen und mit venezianischen Karnevalsmasken. „An dem Tag habe ich meine Cousine zum letzten Mal gesehen.“
„Wieso?“
„Sie ist von zu Hause weggelaufen und jung gestorben.“ Die Signora seufzte traurig und machte das Album zu. „So, jetzt ist es genug, Kind. Diese Erinnerung stimmt mich zu traurig.“
Harriet legte die Alben zur Seite und setzte sich gedankenverloren wieder ans Bett. Die Signora, die von der guten alten Zeit erzählte, bemerkte bald, dass sie nicht bei der Sache war.
„Was ist los, Liebes?“
„Ich denke gerade über deine Cousine nach. Wie hieß sie?“
„Chiara. Sie war so ein süßes kleines Ding, und ich habe sie wie eine Schwester geliebt. Aber … Harriet, was ist denn?“
Harriet war aufgesprungen. „Ich muss nur mal schnell etwas aus meinem Zimmer holen.“
Kurz darauf kehrte sie mit dem Foto ihrer Großmutter zurück. „Ist das Chiara?“
Die Signora betrachtete erstaunt das Foto. Tränen schimmerten in ihren Augen, als sie Harriet ansah. „Das ist Chiara. Die Aufnahme muss etwa ein Jahr nach unserer letzten Begegnung beim Karneval gemacht worden sein. Wie bist du an dieses Foto gekommen, Harriet?“
Harriet wurde plötzlich bewusst, dass zu viel Aufregung der Signora schaden könnte. Sie nahm ihre zarte Hand. „Du darfst dich aber nicht aufregen, sonst bin ich nachher noch schuld daran, dass es dir wieder schlechter geht.“
„Unsinn, Kind! Nun beantworte bitte meine Frage.“
Harriet gehorchte und erzählte die Geschichte von Chiara Russo. Vittoria Fortinari hörte wie gebannt zu und konnte kaum glauben, dass sie nun endlich erfuhr, was damals mit ihrer Cousine passiert war. Schließlich lächelte sie fröhlich.
„Dann bist du die Enkelin meiner geliebten Chiara“, rief sie entzückt. „Kein Wunder, dass ich mich dir und deiner Mutter sofort so verbunden gefühlt habe! Und jetzt weiß ich auch, wieso du Rosa so verblüffend ähnlich siehst. Das ist einfach wunderbar. Ach, ich bin Rosa unendlich dankbar, dass sie dich zu mir geschickt hat.“
Diese überraschende Nachricht schien der Signora neue Kräfte zu verleihen. Jedenfalls bestand sie darauf aufzustehen. Erst als Schwester Claudia damit drohte, den Arzt zu rufen, gab die alte Dame nach und blieb im Bett.
„Wenn du jetzt aufstehen und womöglich einen Rückfall erleiden würdest, hätte ich die Schuld,
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