Romana Exklusiv 0188
den Wagen die Autoroute de Deux Mers entlang und gewöhnte sich zunehmend daran, rechts zu fahren. Die meisten Autoren – oder die meisten Leute, wie sie sich korrigierte – hätten ihr angeboten, sie vom Flughafen abzuholen.
Julian Tarrant dagegen hielt diese höfliche Geste offenbar für unnötig. Dennoch hatte sie nichts anderes von ihm erwartet und verspürte wie üblich eine gewisse Befriedigung, wenn ihre schlimmsten Vermutungen bestätigt wurden.
Schließlich zwang sie sich, nicht mehr an Julian zu denken und sich stattdessen auf die Landschaft zu konzentrieren. Obwohl sie Paris, Burgund und das Loiretal kannte, merkte sie, dass sie sich hier im Süden Frankreichs in einer anderen Welt befand. Es duftete angenehm nach Kräutern, und die Frühlingssonne verbreitete eine angenehme Wärme.
Hinter Toulouse begann das Languedoc, das im Mittelalter ein unabhängiges Königreich mit einer eigenen Sprache gewesen war. Während Frankie weiter nach Süden fuhr, sah sie, dass das Flachland und die unteren Abhänge der Hügel zu beiden Seiten der Straße dicht mit Wein bewachsen waren. Die höheren Abschnitte hingegen waren trockener und kärger und schimmerten golden in der Sonne. Dies war wildes Heideland, in dessen Dörfern die Bevölkerung einst vor plündernden Räubern und kriegerischen Armeen Zuflucht gesucht hatte.
An einem Rastplatz hielt Frankie an, um sich eine kleine Flasche Mineralwasser und ein halbes Baguette zu kaufen, das mit Tomaten, Schinken und Mayonnaise belegt war. Da sie keine Lust hatte, sich zu den lebhaft plaudernden französischen Familien zu setzen, die im Schatten picknickten, fuhr sie weiter. Einige Kilometer weiter entdeckte sie ein idyllisches Fleckchen Erde abseits der Autobahn, das eine fantastische Sicht auf die alte Stadt Carcassonne bot.
Die Stadt lag auf einem Hügel und war von massiven Mauern umgeben. Die Türme und Zinnen sahen vermutlich noch genauso aus wie vor Hunderten von Jahren, und Frankie hielt ehrfurchtsvoll den Atem an. Es war eine urwüchsige Landschaft mit einer bewegten Vergangenheit – ideal für einen Mann wie Julian Tarrant, wie Frankie unwillkürlich dachte.
Nachdem sie ihre Mahlzeit im Freien beendet hatte, warf sie einen Blick auf seine Wegbeschreibung. Seinen Worten zufolge hätte sie entweder nach Toulouse oder Montpellier fliegen können, in jedem Fall aber noch ein ganzes Stück fahren müssen. Nun, da sie die Autobahn verließ und den Wagen durch das wilde Hinterland lenkte, wusste sie, was er gemeint hatte.
Zuerst wurde die Straße von Weinbergen, Olivenhainen und Obstplantagen gesäumt, und Frankie durchquerte verschlafene kleine Dörfer, wo in der Mittagszeit kaum ein Mensch zu sehen war. Nur manchmal erblickte sie einen Hund, den das Motorengeräusch aufgeschreckt hatte, oder eine in Schwarz gekleidete alte Frau, die ihr von der Tür aus nachschaute.
Kurz darauf ließ sie sogar die letzten Spuren der Zivilisation zurück. Von einem jener kleinen Dörfer führte eine einsame Straße steil nach oben. Frankie hatte Probleme mit der Gangschaltung und hoffte, dass es keine weiteren Komplikationen gab. Falls das Auto hier liegenblieb, wäre das eine Katastrophe.
Frankie betrachtete die sorgfältig gezeichnete Karte, um die richtige Abzweigung zu finden. Das durfte doch nicht wahr sein! Eine noch engere, schlechtere Straße führte geradewegs in die Einöde.
Ich habe es satt, mit diesem Mann Verstecken zu spielen, dachte Frankie wütend. Dennoch vertraute sie der Beschreibung, denn Julian Tarrant war zu gewissenhaft, um ungenaue Angaben zu machen. Ein Mann, der Polarwüsten bereist und Expeditionen geleitet hatte, würde bei einer simplen Straße auf dem Festland keinen Fehler begehen.
Einige Kilometer weiter allerdings begann sie daran zu zweifeln und setzte nur deshalb ihren Weg fort, weil es keine Alternative gab. Die Straße führte jetzt wieder bergab und durch Olivenhaine und Obstplantagen. Frankie schöpfte Hoffnung, da die Gegend bewohnt sein musste und sie wenigstens jemanden nach dem Weg fragen konnte.
Sekunden später machte ihr Herz einen Sprung. Hinter den Bäumen stand ein Haus, das aus demselben Stein erbaut worden war wie die Häuser in den kleinen Dörfern. Irgendwo meckerte eine Ziege, und Grillen zirpten im Gras. Es war weit und breit kein Mensch zu sehen.
Frankie hielt vor dem Haus und studierte erneut die Karte. Julians Zeichnung zufolge hatte sie ihr Ziel erreicht, und dies war das einzige Gebäude, das sie auf dem letzten
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