Romana Exklusiv 0188
uns bekämpfen. Er hätte mich nicht bitten sollen hierherzukommen, bevor er nicht seine Vorurteile gegen mich abgelegt hat.
Was hatte er überhaupt gegen sie? Störte es ihn, dass sie eine Frau war? Dass sie keinen Freund hatte? Betrachtete er sie als Bedrohung und fürchtete er, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte und er sie abweisen müsste?
Als er die Verandatüren öffnete und hereinkam, riss sie sich nach Kräften zusammen.
„Sie haben also hergefunden, Miss Somers“, sagte er langsam.
„Das war auch nicht schwer mit Ihrer ausgezeichneten Beschreibung“, erwiderte sie scharf. „Ich hätte es begrüßt, wenn Sie bei meiner Ankunft hier gewesen wären. Oder ist es in Frankreich üblich, dass der Gastgeber nicht da ist, wenn seine Gäste eintreffen?“
Julian begegnete ungerührt ihrem Blick.
„Ich habe die Angewohnheit, in den Bergen spazierenzugehen, wann immer mir danach der Sinn steht“, erklärte er. „Da ich nicht wusste, wann Sie ankommen, wäre es sinnlos gewesen, wenn ich hier herumgesessen und auf Sie gewartet hätte. Sie sind eine erwachsene Frau, Miss Somers, und ich habe Sie nicht vor der Tür stehen lassen.“
Was er sagte, war logisch, doch ihr ging es um Höflichkeit. Es hatte keinen Zweck, sie redeten aneinander vorbei. Außerdem verriet ihr sein Gesichtsausdruck, dass es ein Fehler gewesen war, das cremefarbene Kleid anzuziehen. Offensichtlich glaubte Julian, sie wolle ihn mit ihrem Großstadtschick beeindrucken. Dieser Mann hatte sie durchschaut, und was er sah, war ihm gleichgültig.
„Außerdem hätten Sie sich nicht zum Abendessen umziehen müssen“, sagte er mit mildem Spott. „Zufällig habe ich Freunde zum Essen eingeladen, aber wir sind hier sehr zwanglos. Ah … wenn ich mich nicht irre, sind sie gerade gekommen.“
Frankie war so angespannt, dass sie beinah erleichtert war, als das Paar im Hof erschien. Die Frau war Ende dreißig und trug eine Baumwollbluse, einen Rock und Sandaletten. Ihr rotgoldenes Haar war etwas zerzaust, doch ihre blauen Augen blickten freundlich. Ihr Partner war ein großer Mann in Jeans und Sweatshirt, der tief gebräunt war und hellbraunes lichtes Haar hatte. Er hatte ein kleines Fass in Händen, während sie einen großen Tontopf vor sich her balancierte.
„Tut mir leid, dass wir zu spät kommen, Julian, alter Knabe“, sagte der Mann. „Unser Transporter wollte nicht anspringen, und ich habe den halben Nachmittag damit verbracht, ihn wieder zum Leben zu erwecken. Deshalb konnten wir unser Versprechen nicht halten, deine Lektorin während deiner Abwesenheit zu empfangen. Ich hoffe, du wirst uns verzeihen, wenn du das Essen probierst, das Jan gekocht hat.“
„Das sind zwei meiner ältesten Freunde, Noël und Jan Howerth“, stellte Julian vor. „Jan, Noël – dies ist meine Lektorin, Miss Francesca Somers, die sich Frankie nennt.“
Frankie war verblüfft. Es war also nicht Julians Schuld gewesen, dass sie das Haus leer vorgefunden hatte. Wenn er sie allerdings rechtzeitig darüber informiert hätte, hätte sie keine Bemerkungen über seine schlechten Manieren zu machen brauchen!
Doch jetzt konnte sie ihre Worte nicht mehr rückgängig machen, denn Noël Howard hatte bereits ihre Hand ergriffen.
„Freut mich, Sie kennenzulernen. Mir ist schleierhaft, wie der alte Caesar es geschafft hat, die Aufmerksamkeit einer so verdammt flotten Frau zu erregen“, meinte er mit unverhohlener Bewunderung. „Ich dachte, Lektoren wären unfreundliche alte Kerle mit Hornbrillen!“
„Beachten Sie ihn gar nicht“, schaltete seine Frau sich ein und stellte den Topf auf den Tisch. „Er hat in den Olivenhainen gearbeitet und ist zu lange in der Sonne gewesen. Das sind unsere dort hinter den Feldern. Unser Haus kann man von hier allerdings nicht sehen.“
Frankie lächelte und zog ihre Hand zurück. „Aber warum haben Sie Julian gerade ‚Caesar‘ genannt?“
Noël grinste. „Das war Julians Spitzname in der Schule. Wir waren befreundet, obwohl ich einige Klassen über ihm war. Na ja, ‚Julian‘ klingt fast wie ‚Caesar‘, und schon damals war offensichtlich, dass er Führungsqualitäten besaß.“ Er hievte das Fass auf den Tisch. „Hol drei Gläser, alter Knabe. Das ist zwar nur billiger Wein von der Genossenschaft, aber er schmeckt nicht übel.“
Jan und Noël hatten für ein komplettes Menü gesorgt. Außer Hühnchen in Weißwein gab es junge Zucchini, Karotten, neue Kartoffeln und knuspriges selbst gebackenes Brot. Sowohl das
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