Romana Exklusiv 0188
und sein Privatleben. Alles andere kannst du erst einmal liegen lassen.“
Sally blickte sie aus großen Augen an.
„Klar, wenn du meinst. Aber was ist mit den ganzen Briefen, die ich so schnell wie möglich beantworten sollte?“
„Die können warten. Ich nehme das Diktiergerät mit nach Hause und beantworte sie heute Abend. Du kannst sie dann morgen tippen“, antwortete Frankie entschieden. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt, dachte sie. Deshalb musste sie mehr über diesen Mann wissen.
Die Informationen, die Sally über Julian Tarrant zusammengestellt hatte, waren interessant. Er war in Dorset geboren und aufgewachsen, und seine Familie hatte über Generationen das Land um das Dorf herum bestellt, das teilweise denselben Namen besaß. Nachdem er eine Privatschule besucht hatte, studierte er in Oxford und war anschließend für kurze Zeit bei der Marine.
Anders, als seine Ausbildung es erwarten ließ, weigerte er sich dann anscheinend, ein geregeltes Leben zu führen. Die wildesten, unbekanntesten und gefährlichsten Regionen der Erde zogen ihn in ihren Bann: die Polargebiete, Wüsten und Gebirgszüge, für die es keine Karten gab. Die wissenschaftlichen Daten, die er auf seinen Expeditionen ermittelte, leitete er an die internationalen Verbände weiter, die seine Touren zunehmend sponserten. Die Berichterstattung in den Zeitungen und Zeitschriften konzentrierte sich jedoch auf die Risiken, die er einging. Seine letzte Exkursion im Vorjahr hatte ihn tief in den Regenwald des Amazonas geführt. Sally hatte darüber nur eine kurze Presseverlautbarung gefunden, in der stand, dass er aus gesundheitlichen Gründen keine weiteren Expeditionen unternehmen würde.
Über sein Privatleben erfuhr Frankie lediglich, dass er verheiratet war und einen Sohn und eine Tochter hatte. Diese Information war nicht mehr aktuell, da seine Scheidung nicht erwähnt wurde. Julian Tarrant war ein Mann, der sehr zurückgezogen lebte.
Frankie runzelte die Stirn und klopfte mit ihrem Kugelschreiber auf den Tisch. Die Informationen waren äußerst spärlich und lieferten keine Erklärung dafür, warum Julian Tarrant jetzt allein in einem Haus in Dorset lebte und ein Buch über alle Expeditionen schrieb, die er bisher geleitet hatte – mit einer Ausnahme. Dass er die letzte Exkursion ausklammerte, erweckte ihr Interesse. Außerdem fragte sie sich, welche gesundheitlichen Probleme er hatte, deretwegen er seine Abenteuerreisen ganz aufgegeben hatte. Auf sie hatte er einen kerngesunden Eindruck gemacht. Was hatte ihn dazu bewogen, seine Erlebnisse aufzuschreiben? Sentimentalität? Bedauern? Oder war es seine Therapie für eine gescheiterte Ehe? Frankie bezweifelte, dass er mehr von sich preisgeben würde. Daher wollte sie sich ganz langsam und vorsichtig an ihn herantasten.
Sie blickte noch immer geistesabwesend ins Leere, als Sally ihr Büro betrat.
„Ach je“, sagte sie. „Anscheinend haben dir die Informationen nicht viel genützt, stimmt’s?“
„Nicht besonders“, gestand Frankie, sodass ihre Assistentin mitfühlend lächelte.
„Machen wir uns doch nichts vor. Du stehst mehr auf Intellektuelle als auf Abenteurer“, bemerkte sie. „Du wirkst ganz schön mitgenommen.“
Frankie schüttelte sich. Wenn sie tatsächlich mitgenommen wirkte, musste sie sich zusammenreißen. Sally konnte ihre Zweifel und Ängste ruhig erraten, aber dabei sollte es auch bleiben. Cooper Masterman war ein Betrieb wie jeder andere, und es gab genügend Leute, die aus den Problemen ihrer Kollegen Kapital schlugen.
Es ist nur ein weiteres Buch, sagte sie sich energisch. Und Julian Tarrant war nur ein weiterer Autor. Sie war eine erfahrene, professionelle Lektorin und würde ihn nach Kräften unterstützen und motivieren. Wenn sie ihm nämlich wirklich helfen wollte, musste sie ihm ohne Vorbehalte begegnen.
Ihre Gefühle musste sie ausklammern, und sie war überzeugt, dass es ihr gelingen würde. Und wenn sie das Projekt erfolgreich durchführte, würde sie umso mehr Genugtuung empfinden, weil sie es trotz aller Schwierigkeiten zu Ende gebracht hätte.
Während sie auf die gegenüberliegende Wand blickte, schien Julian Tarrants Profil in ihrer Fantasie Gestalt anzunehmen, dessen klassische Arroganz von dem angedeuteten Grübchen in der Wange auf faszinierende Weise gemindert wurde. Der Blick seiner lebhaften, wachsamen blauen Augen war auf sie gerichtet.
„Oh, absolut“, schien er zu sagen, was ihren frommen Wünschen sofort den Glanz nahm.
Sogar
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