Romana Exklusiv 0197
Verlobungsring an ihrem Finger. Seine Berührung wirkte trotzig. Lysan begriff, was geschehen war.
Enrico stieß ihre Hand so heftig weg, als hätte er sich verbrannt. „Ich bitte um Entschuldigung, Señorita.“ Seine Stimme klang rau. „Ich hatte vergessen, dass Sie verlobt sind und einen anderen heiraten werden.“ Er verließ den Raum und schloss die Tür hinter sich.
Schockiert blickte Lysan ihm nach, unfähig, sich zu bewegen. Nicht nur er hatte vergessen, dass sie verlobt war, auch sie hatte überhaupt nicht mehr an Noel gedacht.
4. KAPITEL
Lysan verbrachte eine schlaflose Nacht. Immer wieder dachte sie über die schönen Stunden mit Enrico nach. Sie hatte ganz neue Seiten an ihm entdeckt. Und als sie sich daran erinnerte, wie leidenschaftlich sie sich in Enricos Arme geschmiegt hatte, schämte sie sich sehr.
Bei Tagesanbruch stand sie auf und schaute zum Fenster hinaus, ohne etwas wahrzunehmen. Sie wünschte sich, sie hätte auf Enricos Zärtlichkeiten so bestürzt und irritiert reagiert wie auf Noels. Wer weiß, was passiert wäre, wenn Enrico nicht plötzlich den Verlobungsring berührt hätte, überlegte sie.
Ruhelos durchquerte sie das Zimmer und stellte sich unter die Dusche, aber die quälenden Gedanken ließen sich nicht einfach vertreiben. Wie konnte ich Noel so rasch und so leicht vergessen, und wie kann ich Enrico jemals wieder in die Augen sehen?, fragte sie sich verzweifelt.
Lysan trocknete sich ab und zog sich an. Ohne zu zögern, hatte sie Enricos Umarmungen und Küsse erwidert, obwohl sie eine leichte Scheu empfunden hatte, halbnackt in den Armen dieses so attraktiven Mannes zu liegen. Aber das war wahrscheinlich ganz natürlich beim ersten Mal. Gut, dass es dunkel war, dachte sie.
Vielleicht wäre es doch am besten gewesen, sogleich sein Haus zu verlassen. Oder wäre es feiges Davonlaufen gewesen? Seltsamerweise konnte sie sich nicht entscheiden. Am Vortag hatte sie es noch für eine gute Idee gehalten, sich ein Hotelzimmer zu buchen, aber jetzt widerstrebte es ihr. Sie war schrecklich unschlüssig.
Als es Zeit war, zum Frühstück hinunterzugehen, zögerte sie, weil es ihr bevorstand, Enrico zu begegnen. Sie wollte sich kühl und gleichgültig verhalten, als wäre nichts geschehen und als hätte sie so gut geschlafen wie schon lange nicht mehr. Doch dazu war sie viel zu aufgewühlt.
Nach weiteren fünf Minuten ergebnislosen Nachdenkens wurde ihr klar, wie unhöflich es gewesen wäre, den Tagesablauf der Hausangestellten durcheinanderzubringen und zu spät zu frühstücken. Deshalb verließ sie schließlich ihr Zimmer und hoffte, Enrico nicht über den Weg zu laufen.
Zu ihrer Erleichterung saß nur Gabina am Tisch, und Lysan begrüßte sie freundlich.
„Guten Morgen, Lysan“, erwiderte Gabina fröhlich und fügte hinzu, nachdem Lysan sich hingesetzt hatte: „Hat Ihnen der Ausflug gestern gefallen?“
„Es war fantastisch“, erklärte Lysan begeistert und überlegte plötzlich, ob sie sich überhaupt bei Enrico bedankt hatte. „Hatten Sie auch einen schönen Tag?“, fragte sie, damit Gabina nicht auf die Idee kam, sich nach Einzelheiten zu erkundigen.
„Ja. Aber wir haben die ganze Zeit nur geredet. Ich bin nicht dazu gekommen, meine Einkäufe zu erledigen. Weihnachten rückt immer näher, und ich habe noch kein Geschenk für Celso.“
„Fahren Sie heute wieder nach Santiago?“
Gabina nickte. „Kommen Sie mit?“
„Wollen Sie nicht Ihre Freundin treffen?“
„Nein. Febe hat ein eigenes Geschäft. Sie hat sich gestern ausnahmsweise einmal freigenommen und arbeitet heute wieder.“
In Santiago bin ich weit genug weg von Enrico und brauche keine Angst zu haben, ihm zu begegnen, ging es Lysan durch den Kopf. „Ja, dann komme ich gern mit“, erklärte sie.
„Ich freue mich.“ Gabina strahlte übers ganze Gesicht und schaute auf die Uhr. „In einer halben Stunde kann es losgehen. Ich muss nur vorher noch meine Mutter anrufen.“
Das hätte sie besser nicht erwähnt, denn Lysan sehnte sich auf einmal danach, mit ihrer Mutter zu sprechen, die immer einen guten Rat wusste.
Gabina blickte sie nachdenklich an, offenbar konnte sie Gedanken lesen. „Sie möchten auch Ihre Mutter anrufen, stimmt’s?“ Ohne Lysans Antwort abzuwarten, fuhr sie fort: „Sie müssen es unbedingt tun, Lysan. Ihre Mutter wird sich bestimmt freuen, zu erfahren, dass alles in Ordnung ist. Sie können das Telefon im Wohnzimmer benutzen.“
„Ich weiß nicht recht, ob …“, wandte Lysan
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