Romana Exklusiv 0197
er nicht für sie verantwortlich. Aber sie war natürlich sehr froh, dass er da war. Plötzlich konnte sie sich nicht mehr wach halten. Die Augen fielen ihr zu, und mit einem Lächeln auf den Lippen schlief sie ein.
Einige Zeit später schreckte sie irritiert auf. Sie öffnete die Augen – und erblickte Enrico, der neben ihrem Bett stand und sie anschaute.
„Ich habe angeklopft, ehe ich hereingekommen bin. Sie hatten die Tür nicht abgeschlossen“, erklärte er streng.
Jetzt ja nicht aus der Haut fahren, ganz ruhig bleiben, mahnte Lysan sich. Sie liebte ihn, und er war bei ihr, alles andere war egal. „Das scheint zur Gewohnheit zu werden“, sagte sie. Es sollte ein Scherz sein, denn am Vortag hatte er sie auch aus dem Schlaf gerissen, indem er lautstark angeklopft hatte und dann in ihr Zimmer gestürmt war.
Er zuckte mit den Schultern. „Offenbar haben Sie sich doch noch entschlossen, sich auszuruhen.“
Sie konnte es nicht abstreiten, er hatte sie ja im Schlaf überrascht. „Ich tue immer, was Sie sagen“, erwiderte sie gespielt ernst und war sich bewusst, wie gefährlich es war, den Augenblick des Alleinseins mit ihm so sehr zu genießen. Am besten war es, wenn sie jetzt aufstand und Enrico hinausschickte.
„Schön war’s“, antwortete er sanft und setzte sich neben sie aufs Bett. „Soll ich Ihnen das Dinner aufs Zimmer bringen lassen?“
„Nein! Ist es schon so spät?“ Unter keinen Umständen wollte sie auf das gemeinsame Essen und seine Gesellschaft verzichten.
„Haben Sie Hunger?“
„Und wie!“ Sie lächelte ihn an. Anders als im Zug hatte sie tatsächlich großen Hunger. „Ich stehe jetzt auf“, erklärte sie. Sie wollte sich aufrichten und war auf einmal nur noch wenige Zentimeter von seinem Gesicht entfernt. Sekundenlang sahen sie sich in die Augen. „Ich bin schnell fertig“, fügte Lysan hastig hinzu, und ihre Stimme klang plötzlich ganz heiser.
Langsam hob Enrico die Hände und umfasste sanft ihr Gesicht. „Keine Spur von Make-up und so wunderschönes Haar! Sind Sie wirklich nicht mehr sechzehn?“
„Das liegt an meinem soliden Lebenswandel“, erwiderte sie scherzhaft, obwohl es ihr lieber gewesen wäre, mit ihren zweiundzwanzig Jahren weltgewandt und selbstsicher zu wirken und nicht so unschuldig und naiv wie eine Sechzehnjährige.
Enrico zog die Hände zurück und stand auf. „Können Sie in einer halben Stunde unten sein?“
„Kein Problem“, erwiderte sie lächelnd. Und da sie sich seiner Gegenwart allzu sehr bewusst war und vermeiden wollte, dass er noch einmal in ihr Zimmer kam, fügte sie rasch hinzu: „Wir sehen uns dann an der Bar.“
Er verschwand, und innerhalb von fünfundzwanzig Minuten war Lysan fertig und ging hinunter ins Foyer, wo Enrico an der Bar auf sie wartete.
„Einen Martini?“, fragte er, während er höflich aufstand.
„Ja, gern.“ Sie hatte sich vorgenommen, ihr Temperament an diesem Abend zu zügeln, obwohl sie eigentlich immer nur dann heftig reagiert hatte, wenn sie das Gefühl gehabt hatte, sich wehren zu müssen.
Lysan setzte sich auf den Barhocker neben Enrico, und er nahm auch wieder Platz. Vom Foyer aus hatte man einen wunderschönen Blick auf den Lago Llanquihue. Sie fühlte sich rundherum glücklich, während sie ab und zu einen kleinen Schluck trank und entspannt mit dem attraktiven, gebildeten und kultivierten Mann neben ihr plauderte.
„Darf ich?“ Enrico streckte die Hand aus und strich ihr eine Haarsträhne, die ihr ins Gesicht gefallen war, hinters Ohr. Atemlos schaute sie ihn an und hatte das Gefühl, ihre Haut würde unter seiner Berührung brennen.
Sekundenlang verschlug es ihr die Sprache, und Lysan überlegte krampfhaft, was sie sagen sollte, um sich abzulenken.
„Gibt es Fische in dem See?“ O nein, etwas Dümmeres konnte mir gar nicht einfallen, dachte sie und stöhnte insgeheim auf. In dem mehrere Quadratkilometer großen See wimmelte es bestimmt nur so von Fischen. „Ach, vergessen Sie die Frage“, fügte sie deshalb rasch hinzu. Er sollte nicht denken, sie wäre dumm und würde geistlos drauflosplappern. „Haben Sie eine Ahnung, wie groß der See ist?“
Kein Wunder, dass ich ihn liebe, dachte sie, als er charmant lächelnd antwortete, ohne ihr das Gefühl zu geben, Unsinn geredet zu haben: „Genau weiß ich es nicht. Er ist jedenfalls einer der größten in Südamerika.“ Und während sie ihn wie gebannt ansah, fragte er: „Möchten Sie noch einen Martini? Oder möchten Sie jetzt
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