Romana Extra Band 1
abstreifen. Sie holt uns immer wieder ein. Wenn du glaubst, auf einem guten Weg zu sein und sie vergessen zu können … Zack, dann taucht sie wieder auf und fordert dich heraus.“
„Wie hast du den Verrat je verwunden?“
„Darüber kommt man nie ganz hinweg, Mark. Meine Mutter hat mir beigebracht, mich an unsere schönsten Erlebnisse als Familie zu erinnern. Aber sie hat nie wirklich verstanden, warum ich solche Schuldgefühle hatte, die mir viele Jahre schrecklich zugesetzt haben. Bis ich das wahre Gesicht meines Vaters erkannt habe.“
„Du hattest Schuldgefühle? Aber warum?“
„Ich war diejenige, die Krebs hatte. Ich war diejenige, die meinen Dad von zu Hause vertrieben hat, weil es ihn zu sehr schmerzte, mich leiden zu sehen. Und ich war schließlich diejenige, die ihn dazu veranlasst hat, sich nicht nur eine andere Frau, sondern vor allem eine andere Tochter zu suchen. Eine, die hübscher war als ich, und gesünder und klüger und begabter und …“ Ihr versagte die Stimme.
„Eltern sollten ihre Kinder nicht verlassen“, erwiderte Mark leise. „Manchmal bereue ich es, dass ich in den Staaten studiert habe. Ich war gern mit meinen Freunden in dem wunderbaren Land, in dem uns alle Chancen offenzustehen schienen. Ich habe einfach vergessen, dass meine Familie mich in England brauchte. Mir ist nie der Gedanke gekommen, dass meine Mutter eines Tages nicht am Flugplatz stehen könnte, um mich abzuholen. Wir haben so viele gemeinsame Wochenenden und Ferien verpasst.“
„Junge Leute gehen von zu Hause weg. Sie folgen ihrem Herzen und bauen sich eine Karriere auf. Deine Mutter wusste das. Ihr Sohn war erwachsen geworden und führte ein eigenes Leben. Sie muss so stolz auf dich gewesen sein und darauf, was du erreicht hast.“ Sie schwieg einen Moment und strich mit einer Fingerspitze über seine Wange. „Wir sind uns in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich. Wir sind beide Überlebenskünstler. Ich habe den Krebs besiegt. Und ich habe mit angesehen, wie meine Mutter unter dem Verrat meines Vaters gelitten und dann darum gekämpft hat, das Leben als Alleinerziehende mit einem kranken Kind in den Griff zu bekommen.“
„Ist sie jetzt glücklich?“
„Ja, sehr. Sie riskiert es sogar, noch einmal zu heiraten. Sie ist eine mutige Frau.“ Lexi lächelte Mark an. „Vielleicht hat es mich deshalb so hart getroffen, dass Adam mich betrogen hat. Früher hätte ich es mit einem Lachen abgetan. Dieses Mal hat es sich aber angefühlt, als wäre ich die Verliererin. Er hatte nicht den Mut, mir zu erzählen, was das tatsächliche Problem war. Er wollte doch eigene Kinder.“
„Hattest du mit ihm über das Thema gesprochen?“
„Natürlich. Deshalb war ich in der Klinik. Ich habe mich untersuchen lassen, um herauszufinden, wie groß meine Chancen auf Nachwuchs sind. Man hat mir klar gesagt, dass die Behandlung langwierig und aufreibend und ein positives Ergebnis nicht sicher sei. Es besteht ein großes Risiko, dass ich enttäuscht werde.“
„Es hat Adam also gestört, dass du ihm wahrscheinlich keine Kinder schenken kannst?“
Lexi blickte Mark an, dessen Stimme leicht kühl geklungen hatte. „Ja, wie sich später herausgestellt hat. Im Vorfeld meines Klinikaufenthalts hatte er davon geredet, dass er auch Kinder adoptieren würde. Aber dazu wäre es nie gekommen. Wir haben uns zuletzt kaum noch gesehen.“
„Es tut mir leid, dass es nicht funktioniert hat. Es muss sehr hart für dich sein.“
„Wahrscheinlich möchte ich deshalb Kindergeschichten schreiben. Vielleicht dringt meine ganze Liebe durch die Worte zu den Kindern durch, die ich nie kennenlernen oder umarmen werde.“
Lexi schluckte schwer und schaute Mark in die Augen. Was für ein Fehler. Denn jetzt war sie völlig machtlos, als er ihr Gesicht umfasste, ihren Blick erwiderte und sich zu ihr beugte.
Es war herrlich, seinen Mund auf ihren Lippen zu fühlen. Lexi schloss die Augen und genoss den zärtlichen Kuss des warmherzigen Mannes, von dem sie sich schon so bald würde verabschieden müssen. Sie legte ihm die Arme um den Nacken und erwiderte seinen Kuss immer sehnsüchtiger. Als er sich irgendwann atemlos von ihren Lippen löste, spürte sie fast so etwas wie körperlichen Schmerz.
„Ich hatte gehofft, es könnte abgesehen davon, dass wir mit dem Buch noch nicht fertig sind, einen weiteren Grund geben, warum du vielleicht länger auf Paxos bleiben möchtest“, flüsterte er ihr ins Ohr.
Und genau da gab sich ihr Verstand geschlagen.
Weitere Kostenlose Bücher