Romana Extra Band 2
beendete sie das Gespräch und schaltete das Gerät ab, um weiteren Anrufen ihrer Mutter zu entgehen.
Stephanie wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Durfte man von einer Mutter nicht erwarten, dass sie das Wohl ihres Kindes im Auge hatte? Nun, von Pamela Hayworth anscheinend nicht. Sie hatte von Anfang etwas dagegen gehabt, dass Stephanie auf eigenen Beinen stehen wollte. Stattdessen war es Pamelas vordringliches Anliegen, ihre Tochter so rasch wie möglich unter die Haube zu bringen. Für das, was Stephanie wollte, hatte sich ihre Mutter eigentlich nie interessiert.
Stephanie schnaubte ärgerlich, nahm das Handy aus der Freisprecheinrichtung und verstaute es in ihrer Handtasche. Dann schloss sie die Augen und atmete ein paar Mal tief durch. Langsam ließ ihre Anspannung nach. Zurück blieb ein leises Unbehagen, das jedoch nichts mit dem Gespräch mit ihrer Mutter zu tun hatte.
Nein, die Ursache für ihre Beklommenheit war die Begegnung, die ihr gleich bevorstand.
Seufzend fuhr sie sich durch ihr langes dunkelblondes Haar. Dann mal auf in den Kampf!, machte sie sich Mut, nahm ihre Handtasche vom Beifahrersitz und stieg aus dem Wagen.
Ihr Ziel war die Segelschule hier in der kleinen Bucht in unmittelbarer Nähe von Alcúdia. Schon vom Parkplatz aus konnte Stephanie die lange Reihe weißer Segelboote sehen, die am Steg vertäut lagen. Das Wasser glitzerte im hellen Sonnenschein und reflektierte den makellos blauen Himmel. Zwei hohe Ölbäume flankierten das Grundstückstor, über dem ein Schild mit der Aufschrift Velero Escuela Santiago hing. Als Stephanie darunter hindurchschritt, drohte der Mut sie zu verlassen – und nicht etwa, weil ihre erste Segelstunde bevorstand, denn mit Wassersport jeglicher Art hatte sie so wenig zu tun wie ein Hahn mit Eierlegen.
Es waren rein berufliche Gründe, die sie herführten. Als Inhaberin einer Eventagentur in London, die nach und nach immer erfolgreicher geworden war, hatte Stephanie vor sechs Monaten eine Niederlassung auf Mallorca eröffnet. Die Zweigstelle war sofort gut angelaufen, und nun hatte sie von einer Sponsorengruppe das Angebot erhalten, eine Segelregatta vor der Küste der Insel zu organisieren.
Ein wirklich einmaliges Angebot, keine Frage. Jede Eventagentur, die sie kannte, hätte sich nach einem solchen Auftrag die Finger geleckt, aber für Stephanie hing viel davon ab. Ihre gesamte Existenz, genau genommen.
Denn trotz ihrer bisherigen Erfolge stand ihre Eventagentur kurz vor dem Aus.
Sofort spürte Stephanie wieder, wie Verzweiflung sie überkam. Und wie jedes Mal, wenn sie sich ihre nahezu ausweglose Lage vor Augen hielt, keimte Wut in ihr auf. Grenzenlose Wut auf den Mann, der schuld war an ihrer Misere.
Wie konntest du mir das nur antun, Sam? Doch dann schüttelte sie den Kopf. Sie hätte es ahnen müssen! Was Männer anging, hatte sie nun mal kein glückliches Händchen …
Und ein Mann war es auch, der nun darüber entscheiden würde, ob es ihr gelang, ihren Auftrag erfolgreich auszuführen. Ein Mann, den sie nur zu gut kannte.
Alejandro Santiago.
Seufzend hielt sie inne. Tat sie wirklich das Richtige? Oder hatte ihre Mutter recht? Stand sie womöglich im Begriff, einen folgenschweren Fehler zu begehen? Sie straffte die Schultern. Es war viele Jahre her, dass sie Alejandro zum letzten Mal gesehen hatte, und das, was damals geschehen war, gehörte der Vergangenheit an. Sie musste sich darauf konzentrieren, nach vorn zu schauen, denn wenn es ihr gelang, Alejandro dazu zu bewegen, als Aushängeschild an der Regatta teilzunehmen, war alles in Ordnung. Dann brauchte sie sich zumindest um ihre berufliche Zukunft keine Sorgen mehr zu machen. Sollte sie jedoch scheitern, stand sie vor dem endgültigen Aus. Dann gab es keine Rettung für ihre einst so erfolgreiche Agentur.
Sie betrat das niedrige weiße Gebäude durch die Eingangstür mit dem Schild RECEPCIÓN . Nach der sommerlichen Hitze draußen empfand sie die Kühle im Inneren des Hauses als Wohltat. Neugierig blickte Stephanie sich um. Die Einrichtung war einfach, aber kostspielig. Weiße Möbel, viel Glas, eine aquamarinblaue Ledercouch, davor ein niedriger Tisch, auf dem sich Sportmagazine stapelten. An den Wänden hingen gerahmte Fotos, die alle dieselbe Person zeigten: Alejandro Santiago.
Die Aufnahmen waren nicht neu, doch Stephanies letzte Begegnung mit Alejandro lag noch länger zurück als sein erster Sieg bei einer Regatta, den eins der Fotos dokumentierte. Erstaunlicherweise
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