Romana Extra Band 2
Alejandro stand auf, um ihr den Stuhl zurechtzurücken. Eine Geste, die sie überflüssig, aber auch irgendwie rührend fand.
Vermutlich wäre ihre Mutter inzwischen gar nicht mehr abgeneigt, Alejandro als potenziellen Schwiegersohn zu akzeptieren. Ganz im Gegensatz zu damals, als Stephanie es sich so sehr gewünscht hätte. Doch zu der Zeit waren Gerüchte über eine Pleite der Reederei Santiago in Umlauf gewesen, und Pamela Hayworth hatte schockiert reagiert. Ihre Tochter liiert mit dem Sohn eines Bankrotteurs?
Aber letztlich konnte man es ihrer Mutter nicht anlasten, dass es zwischen Alejandro und ihr zu einem so unschönen Ende gekommen war …
Sie setzte sich und nahm die Karte zur Hand. Die Buchstaben verschwammen ihr vor den Augen. Sosehr sie sich auch bemühte, sie schaffte es nicht, sich darauf zu konzentrieren.
Und schuld war – einmal mehr – Alejandro!
Schließlich legte sie die Speisekarte zur Seite und fragte: „Was kannst du empfehlen?“
Er hob eine Braue. „Vertraust du mir?“
Sie wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Er konnte das doch unmöglich ernst meinen. Dann fiel ihr wieder ein, wie sie oft mitten in der Nacht in die Küche des Internats geschlichen waren und … Ein Lächeln zuckte um ihre Lippen. Jeder hatte eine Kleinigkeit aus dem Kühlschrank stibitzt, die der andere dann blind kosten musste, nachdem zuvor die alles entscheidende Frage gestellt worden war. Vertraust du mir …?
Alejandro neigte den Kopf zur Seite und wiederholte seine Frage: „Was ist, vertraust du mir, Pixie?“
Dieses Mal störte es sie seltsamerweise nicht, dass er sie Pixie nannte. Nach kurzem Zögern nickte sie.
Wieder dieses Lächeln, das ihr heiße Schauer den Rücken hinuntersandte. Täuschte sie sich, oder war die Temperatur auf der Terrasse sprungartig angestiegen?
Mit ihrer Serviette fächelte sie sich Luft zu, ehe ihr klar wurde, wie verräterisch diese Geste war.
Reiß dich zusammen, Stephanie Hayworth! Du wirst doch wohl wegen eines Lächelns nicht schwach werden, oder?
Alejandro winkte Salvador heran und deutete auf zwei Positionen auf der Karte, ohne dass Stephanie erkennen konnte, um was es sich handelte. Sie unterdrückte ein Seufzen. Sie hatte es ja so gewollt. Und wenn es ihr dabei half, ihr Ziel zu erreichen, würde sie zur Not auch gedünsteten Tintenfisch verspeisen.
Salvador verschwand mit einem verschwörerischen Lächeln und kehrte kurz darauf mit einer Flasche Weißwein zurück. Er füllte eine Kostprobe in Alejandros Glas, der einen Schluck trank und zustimmend nickte.
Als Salvador ihr einschenken wollte, hob Alejandro die Hand. „Danke, Salvador, aber das mache ich selbst.“
Der Inhaber des Restaurants lächelte und zog sich zurück.
„Und?“, fragte Stephanie nervös, „welche Köstlichkeit hast du für uns ausgewählt?“
„Das wird nicht verraten“, entgegnete er. „Ich dachte, du kennst die Spielregeln.“
Die kannte sie in der Tat – aber war sie wirklich bereit, sich darauf einzulassen?
All diese Erinnerungen, die es in ihr hervorrief, hier mit ihm zu sitzen. Angenehme wie unangenehme. Fröhliche wie traurige. Einige davon so tief unter einer Last von gebrochenen Versprechen und verspieltem Vertrauen vergraben, dass sie kaum wagte, daran zu rühren.
Doch das wollte sie Alejandro gegenüber nicht eingestehen, also nickte sie. „Schön. Du willst spielen – meinetwegen.“
Sie spürte, wie es zwischen ihnen zu knistern begann, und blinzelte, um sich wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Was sie empfand, war absurd. Lächerlich. Nach allem, was Alejandro ihr angetan hatte, konnte sie sich nicht allen Ernstes immer noch von ihm angezogen fühlen!
Und doch war es so.
Als Salvador das Essen brachte und ihren Teller vor sie hinstellte, weiteten sich ihre Augen vor Überraschung.
„Goldbarbe“, stieß sie überrascht hervor. „Mein Lieblingsgericht. Woher wusstest du …?“
Alejandro lächelte. „Du hast es mir selbst erzählt, erinnerst du dich nicht?“
„Aber das ist so viele Jahre her!“, entgegnete sie verblüfft. „Wie kannst du dich noch daran erinnern?“
Er sah sie an, als hätte sie etwas sehr Dummes gesagt, und sie spürte, wie ihr Herz erneut anfing, heftiger zu klopfen.
Unmöglich, dass er es so gemeint hatte, wie es bei ihr angekommen war. Er hatte schon damals nur mit ihr gespielt. Für ihn war sie bloß deshalb interessant gewesen, weil sie anders war als die Mädchen, mit denen er sich sonst abgab.
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