Romana Extra Band 3
die auf Kooraki zu finden war. Das Wasser war von dunklem Grün, das sich an manchen Stellen zu leuchtendem Türkis aufhellte. Ganzjährig blühende Wasserlilien bedeckten die Oberfläche, und überall durchbrachen schwere Knospen das dichte grüne Laub, um sich im Licht der Sonne in leuchtende Blüten zu verwandeln.
Oberhalb des von Akazien gesäumten Ufers band Mel ihr Pferd an einen Baum. Der Abhang war so steil, dass sie ihn fast ganz hinunterrutschen musste, wobei sie viele kleine purpurrote Blumen zerdrückte. Mit einem letzten Sprung erreichte sie das sandige Ufer.
Wie oft hatten sie und Dev sich hier geliebt, im Schatten der Akazienzweige, von deren weißen Blütendolden ein berauschender Duft ausging! Nichts hätte natürlicher sein können. Schon beim ersten Mal hatte sie das Gefühl gehabt, es müsste so sein.
Wenn Dev sich über sie beugte, sie küsste und liebkoste … Mel erbebte am ganzen Körper, wenn sie daran dachte. Dev war ein wunderbarer Liebhaber. Er bedeutete ihr alles – früher als Junge und jetzt als Mann. Er hatte sie geformt, ihr ganzes bisheriges Leben bestimmt. Nie würde sie einen anderen lieben können.
Mel sank zu Boden und begann, leise zu weinen. Der Gedanke an Mike und sein ungeklärtes Ende verfolgte sie seit vielen Jahren. Dabei wäre sie nie auf die Idee gekommen, dass der Kurdaitcha etwas mit dem „Unfall“ zu tun gehabt haben könnte. Erst heute, nachdem er so unerwartet aufgetaucht war, hatte sie die Zusammenhänge erkannt. Seitdem erfüllte sie tiefes Misstrauen – auch gegenüber Dev.
Irgendwann musste jemand den Einfall gehabt haben, Tjungurra für seine Zwecke zu benutzen. Der alte Hexenmeister wurde verehrt und gleichzeitig gefürchtet. Damals waren Dev und sie noch Kinder gewesen, aber rückblickend ergab sich ein deutlicheres Bild. Vielleicht hatte Mireille Tjungurras Hilfe gesucht, vielleicht auch Gregory, der die blinde Eifersucht seiner Frau nicht mehr ertragen konnte. Sarina kam, Gott sei Dank, nicht infrage. Mike hatte ihr damals noch zu viel bedeutet.
Mel richtete sich auf. Der Wind trocknete ihre Tränen und strich ihr sanft über das erhitzte Gesicht. Eine Weile blickte sie starr auf die weite, offene Wasserfläche, die das Licht wie flüssiges Glas reflektierte. In weitem Umkreis war sie der einzige lebende Mensch. Die Rancharbeiter hatten im entfernten Ten Mile zu tun. Eine Störung war daher nicht zu befürchten, und ein kurzes Bad würde sie erfrischen und ihre Nerven beruhigen.
Sie stand auf und zog sich bis auf Slip und BH aus. Das Leben ging weiter – auch für sie. Vor allem musste sie herausfinden, wer ihr Vater war. Silverton. Der Ort zählte nicht zu den bedeutenden Städten im Norden, wo Zucker gewonnen wurde. Mel stellte ihn sich abgelegener, inmitten von Obstplantagen vor. Auch dort konnte sich ein Teenager in einen älteren Mann verlieben, ohne Rücksicht darauf, ob er verheiratet war oder nicht. Sie würde den Mann entlarven, der Sarina damals mit ihrem Kind sitzen gelassen hatte. Vielleicht würde er angesichts der Ähnlichkeit mit ihrer Mutter den Schreck seines Lebens bekommen.
Das Wasser der Lagune glitzerte verlockend und war überraschend kühl. Mel bückte sich und besprühte erst Gesicht, Arme und Brüste, ehe sie ganz untertauchte. Sie konnte gut schwimmen. Als Schülerin hatte sie bei Wettbewerben immer wieder den ersten Preis geholt. Gregory Langdon hatte ihre Ausbildung bezahlt und sie auf eins der angesehensten Internate des Landes geschickt.
Doch sie empfand keine Dankbarkeit, sondern Scham.
Dev entdeckte Mel am Ufer. Mein Gott, dachte er, wie schön sie ist! Eine Weile blieb er stehen und betrachtete sie. Als er näher kam und sein Schatten auf sie fiel, öffnete sie die Augen und stieß einen Laut der Überraschung aus.
„Wie lange stehst du schon da?“, fragte sie, während sie sich aufsetzte.
„Ich bin eben erst gekommen“, antwortete er. „Hat dir das Schwimmen gutgetan?“
„Sagen wir, es hat geholfen.“ Mel zog die Beine an und umfasste sie. Dev kannte ihren nackten Körper nur zu gut, aber wenn er sie so mit leuchtenden Augen betrachtete, regte sich unweigerlich das Verlangen in ihr. Doch heute würde es zu keinem Liebesspiel kommen. Nicht nach den erschütternden Ereignissen vom frühen Morgen.
„Wie bist du den alten Hexenmeister losgeworden?“, fragte sie in herausforderndem Ton.
„Ganz einfach.“ Dev setzte sich dicht neben ihr in den Sand. „Ich habe ihn umgebracht.“
„Deine
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