Romana Extra Band 3
beschützen.“
Tjungurras Augen funkelten. Er riss eine Papageienfeder aus seinem Bart und hielt sie Mel entgegen.
„Du machst mir keine Angst“, sagte sie und ließ die Reitgerte, die ihr der ältere Junge vorsichtshalber in die Hand gedrückt hatte, durch die Luft sausen, sodass Tjungurra zurückfuhr, die Feder ihr aber weiter wie einen Speer entgegenhielt.
In diesem Moment tauchte Dev auf. Alle zuckten vor Schreck zusammen, als sie plötzlich seine Stimme hörten und ihn an der offenen Tür stehen sahen – eine dunkle Silhouette im hellen Morgenlicht.
„Sieh nur, wer da ist“, begrüßte Mel ihn. „Der böse alte Mann, der meinen Vater getötet hat.“
„Aber, Mel“, ermahnte Dev sie, denn er wusste, wie vorschnell sie sein konnte.
„Er hat es getan!“, schrie Mel, ohne auch nur den winzigsten Beweis zu haben.
Dev war mit wenigen Schritten bei ihr und nahm sie in den Arm. „Ich bin es, Mel. Beruhige dich bitte.“ Sein Auftreten schüchterte sogar den alten Zauberer ein. Dagegen schien ihn Mels Anschuldigung kaum zu beeindrucken. Er grinste nur hämisch und begann, im Kreis herumzutanzen, obwohl es ihm sichtlich Schmerzen bereitete.
Dev befahl ihm aufzuhören und hatte damit mehr Erfolg als Mel mit der Reitgerte. Tjungurra blieb augenblicklich stehen.
„Er soll dir die Wahrheit sagen“, mischte sich Mel von Neuem ein. Sie war fest davon überzeugt, dass Mireille sich der Hilfe des Kurdaitcha bedient hatte, um Mike Norton zu töten. Eine eifersüchtige Ehefrau, ein untreuer Mann und eine listenreiche Verführerin – alles hatte beispielhaft zusammengepasst und Mike den Tod gebracht.
Dev sah Mel über Tjungurras Kopf hinweg an. „Es ist unmöglich, ihn zum Reden zu bringen, Mel. Eher würde er sterben.“
„Das wird aber auch Zeit!“, schrie Mel. „Was hat er hier überhaupt zu suchen? Kommt er wegen Sarina? Dass Gregory tot ist, weiß er längst. Die Eingeborenen übermitteln solche Nachrichten per Trommeln. Ist er seinetwegen hier? Will er Rache üben? Er hat Sarina erwähnt und dabei auf mich gezeigt.“
„Ich sorge dafür, dass er verschwindet“, versprach Dev.
Dev scheuchte die Stallburschen mit einer Handbewegung fort. Sie schienen nur darauf gewartet zu haben, denn sie verschwanden wie der Blitz. Der alte Kurdaitcha erschreckte sie. Es war besser, sich nicht mit ihm einzulassen.
„Irgendjemand hat damals das Vieh verhext“, beharrte Mel. Wer das gewesen war, glaubte sie jetzt zu wissen.
Dev schüttelte den Kopf. „Dafür gab es keinen Beweis.“
„Gab?“ , wiederholte Mel mit schriller Stimme. „Also wurden Nachforschungen angestellt, und du wusstest davon?“
„Du liebe Güte, Mel … das ist jetzt über zwanzig Jahre her. Ich war damals noch ein Kind, genau wie du.“
„Genau wie ich? Niemals! Du bist ein Langdon. Selbst ein Kurdaitcha würde sich nicht an einem Langdon vergreifen. An Mike Norton schon. Wir wussten immer, dass Tjungurra Giftpulver herstellte. Ein Wunder, dass Mireille ihn nicht aufgefordert hat, uns alle damit umzubringen.“
„Lass es gut sein, Mel“, bat Dev entnervt.
„Nein!“, protestierte sie. „Wurden damals Maßnahmen gegen dieses Ungeheuer ergriffen? Vor deinem Großvater hätte er sich gefürchtet … wie jeder andere auch.“ Mel zitterte am ganzen Körper vor Aufregung und Empörung. „Sieh ihn dir an. Dir gehorcht er ohne Widerrede.“
„Nur aus Vorsicht“, erklärte Dev. „Die Zauberkräfte sind ihm längst verloren gegangen, deshalb muss er sich mit mir gut stellen. Geh ins Haus, Mel. Wir unterhalten uns später.“
Mel zeigte mit ausgestrecktem Arm auf Tjungurra. „Er hat Mike getötet … oder seinen Tod veranlasst. Der arme Mike war das Opfer.“ Sie begann heftig zu schluchzen. „Du weißt, dass ich recht habe, Dev. Du hast diesem Zauberer schon immer misstraut, aber der Name Langdon musste geschützt werden. Ihr haltet euch für etwas Besonderes … Unbedeutende Menschen wie ich sind nichts wert und können ruhig zugrunde gehen.“
„Bitte, Mel!“, flehte Dev. Er brauchte seine ganze Selbstbeherrschung, um sie nicht anzuschreien. „Wir sprechen darüber, wenn du dich beruhigt hast.“ Irgendwie würde er sie schon wieder zur Vernunft bringen.
„Fahr zur Hölle!“ Mel hatte sich nicht mehr in der Gewalt. Sie stürmte zur Tür und sah gerade noch, wie Tjungurra nickte und dabei teuflisch lächelte.
Mel suchte zunächst ihr Zimmer auf, bis ihr klar wurde, dass der Zusammenstoß mit dem Kurdaitcha
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