Romana Extra Band 6
die Augen, und so manche dachten mit Sicherheit wehmütig an ihre eigene Hochzeit.
„So viel Glück“, raunte Elizabeth Langdon ihrer Tochter zu. „ Dein Tag kommt auch noch, mein Liebling.“
Doch Ava wagte kaum noch zu hoffen. Was sie in leidenschaftlicher Hingabe ersehnt hatte, schien sich wie Nebel zu verflüchtigen.
In der Empfangshalle waren weiß gedeckte Tische aufgestellt worden, die unter den kulinarischen Köstlichkeiten fast zusammenbrachen. Verschiedene Schinkensorten, Truthahn- und Hühnergerichte, gebratene Ente und gebratenes Lamm, Meeresfrüchte aller Art, tasmanischer Räucherlachs, Hummer, Garnelen und Muscheln, mehrere frische Salate … Es fehlte an nichts.
Junge attraktive Kellner schwirrten umher und servierten Champagner, Rot- und Weißwein und den überaus beliebten Rosé. Auch an einer Bar, an der man sich alkoholische Getränke, Säfte und Milchshakes einschenken lassen konnte, fehlte es nicht.
Auf einem Tisch türmten sich Früchte und Süßspeisen. Neben Aprikosen, Pfirsichen, Bananen, Mangos und verschiedenster Beeren, gab es diverse Torten, Cremes und Schokoladendesserts in jeder denkbaren Abwandlung. Ein Bankett solchen Ausmaßes hatte es lange nicht gegeben. Niemand würde sich an diesem Abend hungrig schlafen legen.
Von der oberen Galerie warf die neue Herrin von Kooraki ihr Brautbouquet in die Menge. Sie zielte auf ihre erste Brautjungfer und traf so genau, dass Ava den Strauß auffangen musste.
Karen, die hinter ihr stand, beugte sich vor und flüsterte: „Soweit ich mich erinnere, bist du schon verheiratet.“
Karen war unbelehrbar. Sie konnte sich einfach nicht zurückhalten. Dabei war es ganz unnötig, ihre Cousine an ihre gescheiterte Ehe zu erinnern. Sie hatte mehr als einmal an Luke gedacht und tief bedauert, dass sie damals alle guten Ratschläge nicht beachtet hatte. Jetzt hatte sie sich wieder in den falschen Mann verliebt – einen Ausländer, der bald in seine Heimat zurückkehren würde. Sie hatte ihm ihr Herz geschenkt. Es gab kein Zurück mehr.
Varo sah nur, was er wahrnehmen wollte. Er begehrte sie, das wusste sie genau. Doch er musste auf seine Familie Rücksicht nehmen, die in Argentinien lebte. In den Plänen, die man dort für den einzigen Sohn gemacht hatte, kam eine geschiedene Frau bestimmt nicht vor und schon keine, die von einem anderen Kontinent kam und nicht einmal Spanisch sprach!
Ob Varos amerikanische Mutter die spanische Sprache beherrscht hatte, als sie mit ihrem argentinischen Ehemann durchgebrannt war? Höchstwahrscheinlich nicht, aber das war beiden offenbar gleichgültig gewesen.
Um sieben Uhr trat das frischgebackene Ehepaar die Hochzeitsreise an. Zunächst nach Sydney, wo für den nächsten Morgen ein Flug nach Singapur gebucht war. Danach sollte London das erste europäische Ziel sein.
Nach dem Aufbruch der beiden hob sich die Stimmung der Hochzeitsgäste. Niemand wollte den schönen Tag vorzeitig beenden. Die älteren Herrschaften zogen sich zu tiefsinnigen Gesprächen in die Salons zurück. Die Jüngeren tanzten nach den Klängen der Band – immer ausgelassener, je länger der Abend dauerte.
Varo hatte seinen Stuhl in den Schatten einer Fächerpalme gerückt, die aus einem blau-weißen chinesischen Porzellankübel aufragte. Er hatte bei den weiblichen Gästen viel Beachtung gefunden und sehnte sich danach, einen Moment allein zu sein. Nach den Pflichttänzen mit Lisa und Ashleigh wartete er jetzt auf Ava, die ihm immer wieder entwischte.
Als er zufällig zur Treppe hinübersah, zuckte er zusammen und wandte sich ab, denn Avas Cousine Karen kam auf ihn zu.
„Hallo! So trifft man sich wieder.“
Sie zog einen Stuhl heran – näher, als unbedingt nötig –, setzte sich hin und schlug die schlanken Beine übereinander. Sie sah sehr elegant aus in ihrem schwarz-weißen Kleid, aber Varo reagierte so feindselig auf sie, dass es ihn selbst überraschte. So etwas passierte ihm selten – vor allem bei Frauen.
„Das hat ja alles sehr gut geklappt.“ Karen gab sich übertrieben heiter. Sie lachte und täuschte echte Begeisterung vor, aber Varo ließ sich dadurch nicht beeindrucken. „Etwas merkwürdig nur, dass Mel ihren Brautstrauß ausgerechnet Ava zugeworfen hat.“
„Hatten Sie denn angenommen, Sie würden ihn bekommen?“
„Nein, nein“, protestierte Karen. „Du liebe Güte … nein. Aber schließlich ist Ava schon verheiratet. Eine Scheidung ist hier in Australien zwar ziemlich unkompliziert, denn wenn man
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