Romana Extra Band 6
ich den Tango noch nie getanzt gesehen!“, rief Moira O’Farrell, deren Wangen glühten. „Ich wusste gar nicht, dass du dich so hinreißend, so sexy bewegen kannst, Ava …“
„An einem Tag wie heute wächst man über sich selbst hinaus“, antwortete Varo an Avas Stelle.
Sie hatte tatsächlich die ganze Gesellschaft verblüfft. Wo war die zurückhaltende, etwas kühle Ava geblieben, die sie alle kannten? Sie hatte so viel Feuer, so viel Leidenschaft gezeigt, wie es kaum jemand für möglich gehalten hätte. Natürlich war der Argentinier ein großer Könner, und gerade beim Tango musste der Partner verführen können, und genau das hatte man miterlebt. Eine rauschhafte, beinahe schamlose Verführung.
Die Party endete gegen drei Uhr morgens. Die Musiker hatten ihr Programm schon eine Stunde vorher beendet, und wer noch etwas Schlaf erwischen wollte, musste sich beeilen. Ab acht Uhr sollte ein üppiges Frühstücksbüfett bereitstehen.
Die älteren Gäste hatten sich längst in ihre Zimmer zurückgezogen, und nun suchten auch die letzten Nachtschwärmer ihre Unterkünfte auf. Ava hatte sich als Gastgeberin verpflichtet gefühlt, das Ende der Party abzuwarten. Ihre Eltern waren gegen ein Uhr verschwunden – hochbefriedigt über den rundweg gelungenen Tag.
„Bist du öfter mit Karen zusammen?“, hatte ihre Mutter nach dem Gutenachtkuss gefragt.
„Nein“, hatte Ava geantwortet.
„Gott sei Dank. Ich hatte nie viel für sie übrig. Sie ist eine unerfreuliche Person! Dies eine Mal muss ich deinem Großvater recht geben. Er mochte sie auch nicht. Ich misstraue ihr, obwohl ich das nur ungern zugebe. Sei auf deiner Hut.“
Jetzt ging Ava durch die unteren Räume und löschte überall das Licht. Nur einige Wandlampen ließ sie brennen. Inzwischen war niemand mehr zu sehen. Seltsamerweise war sie noch kein bisschen müde, nur unruhig und frustriert. Es war qualvoll, sich nach jemandem zu sehnen, von dem man sich fernhalten musste.
Zwei Monate musste sie noch warten, und hier im Haus lauerte ein Feind: ihre Cousine. Luke wollte sie auf keinen Fall freigeben, aus welchem Grund auch immer. Er wollte sie weiter beherrschen. Vielleicht musste sie noch dafür bezahlen, dass sie sich so weit mit Varo eingelassen hatte.
Aber es lohnt sich, was auch kommen mag!
Sie ging über die Hintertreppe in den ersten Stock hinauf und bemühte sich, möglichst leise zu sein. Warum? Obwohl sie einander schon vor einer halben Stunde Gute Nacht gewünscht hatten, schien Varo noch nicht zu schlafen, denn ein schwacher Lichtschein drang unter der Tür hervor. Ava blieb stehen und schaute den Korridor, erst zur einen, dann zur anderen Seite entlang. Auch hier spendeten Wandleuchter gedämpfte Beleuchtung.
Alles war still.
Ava huschte lautlos zu Varos Tür, als fürchtete sie, ertappt zu werden. Das lange Kleid raschelte leise, und ihr Herz schlug unnatürlich heftig. Sie warf ihr langes Haar über die Schulter, aber einige Strähnen hafteten an ihrem erhitzten Gesicht.
Was hast du vor? Du bist noch nicht von Luke geschieden.
Die Stimme in ihrem Inneren erschreckte sie. Trotzdem rührte sie sich nicht vom Fleck.
Wenn du bestraft wirst, hast du es verdient.
In diesem Moment öffnete Varo, als hätte er einen sechsten Sinn, die Tür und zog Ava wie eine willenlose Puppe ins Zimmer. Ihre Haut begann zu prickeln. Sie glühte von Kopf bis Fuß, als flösse heiße Lava durch ihre Adern.
„Varo … was hast du vor?“, fragte sie voller Angst.
„Ich habe auf dich gewartet.“
Er betrachtete sie mit leuchtenden Augen. Das lange Haar umschmeichelte ihr hübsches, zartes Gesicht. Er bemerkte den Pulsschlag in der kleinen Mulde unter ihrer Kehle, was ihn erregte. Ava hatte die blauen Augen weit geöffnet, und ihr Blick verriet, was in ihr vorging. Das steigerte seine Leidenschaft.
„Oh nein“, flüsterte sie, „das ist Wahnsinn !“
„Nichts zu tun, wäre schlimmer“, erwiderte er und zog sie an seine Brust. „Denk an meine Mutter und meinen Vater, als sie jung waren. Sie haben dem Wahnsinn nachgegeben, aber sie nannten ihn Liebe .“
Avas Verstand rebellierte, aber sie war unfähig, sich zu artikulieren. Sie war sich bewusst, dass sie sich in Gefahr begab und vorsichtig sein musste, aber wie sollte sie in Varos Armen einen klaren Kopf behalten? Stattdessen hob sie ihm ihr Gesicht entgegen, wie eine Blume, die sich den wärmenden Sonnenstrahlen öffnet.
Zärtlich ließ er seine Finger über ihre Lippen gleiten, was Ava zum
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