Romana Gold Band 11
Adler zu beobachten, war verlockend.
„Ja oder nein?“, fragte er ungeduldig. Jamsey verzog das Gesicht. Das war keine sehr freundliche Einladung.
„Was ist mit Susan? Kommt sie auch?“, erkundigte sie sich und hoffte, sie würde sie nicht begleiten.
„Susan ist heute Morgen abgereist. Sie hat sich beklagt, ich hätte mich nicht genügend um sie gekümmert. Ich habe natürlich dir die Schuld daran gegeben.“
Jamseys Herzschlag beschleunigte sich. „Was meinst du damit?“, fragte sie atemlos.
„Nun, du bringst mit deiner dummen Sucherei den ganzen Haushalt durcheinander“, sagte er kühl. Jamsey blickte ihn niedergeschlagen an.
„Was ist denn jetzt los?“, fragte er barsch.
„Nichts“, erwiderte sie und schüttelte den Kopf.
„Gut. Ich fahre in einer Viertelstunde.“ Ron stand auf und ging zur Tür. „Und ich werde nicht warten“, fügte er hinzu.
Jamsey lauschte auf seine Schritte und stellte die Tasse heftig auf den Unterteller. „Verflixter Kerl“, stieß sie hervor. Warum sollte sie wohl einen Tag in der Gesellschaft eines so arroganten Mannes verbringen wollen? Sie atmete tief ein, um sich zu beruhigen. Dann nahm sie sich noch ein Stück Toast und hastete nach oben, um ihre Kamera zu holen. Ron spaßte nicht und würde sicher nicht auf sie warten.
Eilig packte sie ihren Fotoapparat in die Handtasche und lief wieder nach unten. Ron wartete bereits im Auto und trommelte mit den Fingern ungeduldig aufs Lenkrad.
„Gerade noch rechtzeitig“, fuhr er Jamsey an und startete den Motor.
Jamsey lächelte belustigt. Er war der temperamentvollste Mann, den sie je kennengelernt hatte.
Langsam brach die Sonne durch die Wolken. Immerhin sieht es nicht nach Regen aus, dachte Jamsey und bewunderte die herrliche Landschaft. Die Straße wand sich durch die sanft ansteigenden Hügel ringsum. Sie fuhren an zahlreichen Seen vorbei, die alle in ihrer Schönheit einzigartig waren.
„Ich muss noch etwas erledigen. Jenny hat mich gebeten, diese Blumen in die Kirche zu bringen“, sagte Ron und deutete auf den großen Strauß auf dem Rücksitz. Der Duft der Blüten erfüllte die Luft. Jamsey war verblüfft, dass solche Blumen in diesem Klima gediehen.
„Ich würde mir die Kirche gern ansehen. Ist sie sehr alt?“, fragte sie eifrig.
Ron gab gern Auskunft: „Sie wurde achthundertachtundvierzig in Stein errichtet, doch bereits im Jahr fünfhundertsiebzig bauten die Culdees dort ein Kloster aus Lehm.“
„Culdees?“, fragte Jamsey. Wenn Ron über Dinge sprach, die er liebte, verstärkte sich sein Akzent, und sie konnte ihn kaum verstehen.
„Keltische Missionare – angeblich hat St. Columba dort einige Monate lang gepredigt.“ Er schwieg einen Moment. „Die Kirche liegt am Ufer des Tays, an einem wunderschönen Ort. Vielleicht sollten wir dort Mittag essen.“ Jamsey lächelte.
„Eine hübsche Idee. Aber was ist mit den Adlern?“, fragte sie vorsichtig. Sie wusste, dass ihre Reaktion auf ihn immer stärker wurde, je länger sie mit ihm zusammen war.
„Abends ist die beste Zeit. Wenn wir ein wenig Glück haben, sehen wir vielleicht sogar Fischadler.“ Er lächelte, als er ihren begeisterten Gesichtsausdruck sah.
Schon bald hatten sie die Kirche erreicht. Während Ron die Blumen hineinbrachte, spazierte Jamsey langsam in dem alten Gebäude umher. Es war in einem Zeitraum von über zweihundert Jahren erstellt worden, und jeder Abschnitt hatte etwas Besonderes. Sie bewunderte die bunten Glasfenster und die kunstvoll gewebten Teppiche. Plötzlich verspürte sie ein starkes Verlangen danach, hier zu bleiben. Dann zuckte sie zusammen: Hinter einer Zwischenwand lag eine Steinfigur, die genau aussah wie Ron.
Jamsey trat einen Schritt näher. Die Ähnlichkeit war verblüffend – von der Kleidung abgesehen, hätte es wirklich Ron sein können. Die Figur zeigte die gleichen markanten Gesichtszüge und das energische Kinn. Jamsey überlief ein Schauder. Vorsichtig ließ sie den Finger über die steinernen Lippen gleiten.
„Der Wolf von Badenoch.“ Rons Stimme zerriss die Stille. Jamsey fuhr zusammen und zog hastig die Hand zurück.
„Wer war er?“ Sie fragte sich, ob Ron die verblüffende Ähnlichkeit bemerkte.
„Einer meiner Vorfahren“, erwiderte er. „Der berüchtigte Alexander Stewart, Graf von Badenoch, Sohn von König Robert II.“
„Berüchtigt?“, wiederholte Jamsey. Ihr lief es kalt den Rücken hinunter.
Ron lächelte sie an. „Man sagt, ich habe mehr von ihm geerbt als nur
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