Romana Gold Band 13
richtige Kälte ist, stimmt’s?“
„Sie haben keine Ahnung.“ Die Straßen mit den Leuchtreklamen, den hektisch eilenden Menschen und den überfüllten Schaufenstern waren eine andere Welt als das verschneite Dorf in den Bergen. Der Mann neben ihr, Caroline, lebte in beiden Welten. Er reiste allein, und wo immer er war, schien er zu Hause zu sein.
„Christopher sagte, dass Isabel heute Morgen angerufen hätte.“ Das gemeinsame Abenteuer auf Kreta war ihr ein zu heikles Thema.
„Ach ja, hat sie?“ Rafe schien überrascht, aber nur mäßig interessiert.
„Und sie kann es angeblich nicht abwarten, dich wieder zu angeln.“
„Das ist mir neu“, entgegnete er.
Caroline lachte auf. „Ich möchte wissen, wer den Anruf entgegengenommen hat. Vielleicht solltest du dein eigenes Liebesleben in Ordnung bringen, bevor du dich um das deines Bruder kümmerst.“
„Meines habe ich geordnet“, erwiderte er kurz angebunden.
„Lieben und vergessen, stimmt’s?“ Jetzt hatte ihr Lachen etwas Bitteres. Den Rest der Fahrt schwiegen sie beide.
Als sie durchs Dorf fuhren und sich dem Laden ihrer Eltern näherten, sagte Caroline: „Danke fürs Abholen. Du kannst mich hier herauslassen.“
Doch Rafe verringerte die Geschwindigkeit nicht, und als sie ihn erstaunt ansah, sagte er: „Keine Angst, ich entführe dich schon nicht.“
„Dafür wäre es auch das falsche Land und die falsche Frau.“
„Aber ich möchte mit dir reden. Über dich und Christopher.“
Caroline konnte sich nicht vorstellen, warum sie darüber mit Rafe sprechen sollte. Dennoch sagte sie: „Warum nicht?“, und lehnte sich in ihrem Sitz zurück, bis er den Wagen in der Auffahrt zu Virginia Grove zum Stehen brachte. Der leichte Schneefall hatte aufgehört und einen weißen Hauch wie Zuckerguss auf den Wiesen und Büschen hinterlassen. Nachdem sie ausgestiegen waren, gingen sie über das gefrorene Gras, fort von den breiten Stufen, die zum Haupteingang führten. Sie hielten etwas Abstand voneinander, und doch konnte Caroline Rafes Nähe spüren, als wäre die Luft elektrisch geladen.
„Wird immer noch das Wohltätigkeitsfest hier veranstaltet?“, fragte er.
Virginia Grove war der traditionelle Veranstaltungsort des Wohltätigkeitsfestes in der Gemeinde. Früher hatte Caroline mit ihrer Mutter an den Ständen ausgeholfen, doch in diesem Jahr war sie als angehende Drayford mit Christophers Familie umhergegangen. Das Wetter war prächtig gewesen und das Fest so erfolgreich wie immer. Dennoch war die Erinnerung daran viel schwächer als an jenen Tag vor fast fünf Jahren, als sie noch ein Schulmädchen gewesen war und Rafe noch zu seiner Familie gehört hatte.
„Die Tombola hat hier stattgefunden“, stellte er fest.
„Da habe ich damals geholfen“, bestätigte Caroline. Sie hatten das Haus jetzt fast umrundet. „Damals habe ich mir schon gedacht, dass du dich aus dem Staub machen würdest.“
Isabel hatte an seinem Arm gehangen, wie später auch Elpida. Caroline schob die Hände tief in die Taschen. „Du hast wie ein Tiger im Käfig gewirkt.“ Bei der Erinnerung daran musste sie lachen.
„Genauso habe ich mich gefühlt.“ Jenseits des Rasens erstreckte sich ein makellos gepflegter Garten. Dahinter sah man einen Tennisplatz, und eine Allee von eckig geschnittenen Hecken führte zu einem kleinen Hügel mit einem Teehäuschen. „Darin war beim Fest immer eine Wahrsagerin“, erinnerte sich Rafe.
Caroline nickte. „Es ist immer noch dieselbe. Mrs Dunn aus der Bäckerei in ihrem Zigeunerkostüm mit dicker Schminke. Da sie jeden in der Gemeinde kennt, konnte sie nicht viel falsch machen. Hat sie dir auch die Zukunft gedeutet?“
„Sie hat mir gesagt, ich hätte die wahre Liebe gefunden und wäre auf dem Weg in eine rosige Zukunft“, erklärte Rafe. „Ich glaube, ihr ist nicht entgangen, dass Isabel wie eine Klette an mir hing.“ Er sah sie fragend an. „Und was hat sie für dich in ihrer Kugel gesehen? Oder warst du zu sehr mit der Tombola beschäftigt?“
Caroline schüttelte den Kopf. „Wir haben uns immer die Zukunft vorhersagen lassen. Damals hat sie mir gute Zensuren in der Schule vorausgesagt, und sie hatte recht damit. In diesem Jahr gab es für mich wahre Liebe und eine rosige Zukunft.“ Kurz zuvor war ihre Verlobung mit Christopher Drayford bekannt geworden, und alle waren überzeugt gewesen, dass ihre Zukunft gemacht wäre.
„Keine Erwähnung der Weißen Berge? Kein dunkler Fremder?“
„Kein Wort davon.“
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