Romana Gold Band 13
Schönen Flug. Ich melde mich bald.“
Ginger fuhr herum, als sie Alex’ Stimme hörte, und bei seinem Anblick riss sie erstaunt die Augen auf. Der lässig gekleidete Playboy der vergangenen Woche war einem korrekt gestylten Geschäftsmann in dunkelblauem Anzug gewichen. Ein schwarzer Aktenkoffer vervollständigte das Bild des skrupellosen Industriemagnaten. Ginger war vor Schreck wie erstarrt.
„Sie können jetzt gehen“, sagte er, aber es war keine Rede davon, dass der Pilot wartete oder dass sie sich in London wieder sehen würden. In diesem Augenblick ging Ginger ein Licht auf.
Sie war Alex tatsächlich schon früher einmal begegnet, und zwar genau vor sieben Jahren. Ginger murmelte eine Abschiedsfloskel und verfrachtete Anna dann eilig in den Hubschrauber. Alex’ nachdenklichen Blick bemerkte sie nicht. Sie hatte es viel zu eilig, wegzukommen.
Ginger war fast dankbar, dass es im Hubschrauber zu laut für eine Unterhaltung war. Sie brauchte Zeit, um ihre Gedanken zu ordnen.
Sie dachte an einen Tag vor sieben Jahren zurück, ihren ersten und zugleich letzten Arbeitstag in einem vermeintlich exklusiven Fitnessklub. An den Mann am Empfang, der zu ihr gesagt hatte: „Sie können jetzt gehen“, an das Gefühl maßloser Wut und Scham, die sie dem Besitzer des Klubs gegenüber empfunden hatte. Einem großen dunkelhaarigen Mann mit dunklem Anzug und schwarzem Aktenkoffer. Sie hatte kein Wort gesagt, sondern war tränenüberströmt hinausgelaufen. Gingers Lippen verzogen sich zu einem bitteren Lächeln. Der Mann damals war Alex Statis gewesen, da war sie ganz sicher.
Anna zupfte sie am Ärmel, und ihr wurde bewusst, dass der Hubschrauber bereits zum Landen ansetzte. Doch Ginger hatte kaum Augen für das, was um sie vorging. Wie ein Roboter half sie Anna aus dem Helikopter und folgte dem Piloten zu ihrem Privatjet. Dort ließ sie sich stumm neben Anna auf einen Platz sinken.
Zum Glück schlief Anna fast während der gesamten Flugzeit. Als Ginger sich spätabends endlich in ihr vertrautes Himmelbett in Annas Haus verkriechen konnte, war sie ganz krank vor Kummer.
Privatjacht, eigenes Flugzeug, ein schönes Haus, vollgestopft mit Antiquitäten, sogar eine eigene Insel! Ginger kochte vor Wut. Eigentlich hätte sie sich glücklich schätzen müssen, in einer solchen Umgebung zu leben, aber dafür wusste sie zu gut, wo das Geld dazu herkam. Nach ihrem letzten Gespräch mit Anna war sie überzeugt, dass die alte Dame davon keine Ahnung hatte.
Beim Essen hatte Ginger absichtlich das Gespräch auf Alex’ Geschäfte gebracht und die Frage gestellt, die sie den ganzen Tag gequält hatte.
„Gehören ihm auch Klubs in London? Ich meine, ich hätte da mal von einem Fitnesscenter in Wimbledon gehört.“ Sie nannte Anna das Studio 96.
„An den Namen kann ich mich dunkel erinnern, Ginny, aber ich weiß es wirklich nicht genau. Als Alex damals die Schifffahrtslinie übernommen hat, stand es sehr schlecht um die Firma. Er musste sehr hart arbeiten, bis wieder Gewinne erwirtschaftet werden konnten. Dabei hat er in alle möglichen Richtungen expandiert. Ich habe da gar keinen Überblick mehr, ich interessiere mich mehr für die Kunst. Aber Alex ist schon so etwas wie eine Berühmtheit. Leider schlachten die Klatschspalten am liebsten seine vielen Frauengeschichten aus.“
Jetzt, da sie im Bett lag, verbarg Ginger das Gesicht in den Händen. Sie dachte an Eve, ihre einzige Freundin, die so jung gestorben war. Es waren Alex Statis und Männer wie er, die sie in den Tod getrieben hatten.
Und dabei heißt es immer, Verbrechen zahlt sich nicht aus, dachte Ginger voller Verachtung. Für Alex hatte es sich gelohnt. Anna hatte ihr abends unter anderem erzählt, dass er auf Serendipidos erst ein paar Jahre zuvor eine Prachtvilla gebaut hatte. Für Ginger stand fest, dass er auch die mit den Gewinnen aus seinen üblen Machenschaften finanziert hatte, und sie war plötzlich voller Hass und Verachtung für diesen Mann. Sie schloss die Augen und sehnte den erlösenden Schlaf herbei, aber stattdessen verfiel sie in einen Tagtraum, in dem sie wieder achtzehn war …
Ginger warf einen Blick auf ihre Armbanduhr und sah dann wieder zum Eingang des kleinen Pubs in Covent Garden. Es war halb neun. Eve hatte schon eine halbe Stunde Verspätung. Sie beschloss, ihr noch fünf Minuten zu geben und dann zu gehen. So traurig es war, sie entfremdeten sich immer mehr voneinander. Ginger tröstete sich mit dem Gedanken, dass das wohl unvermeidlich
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