Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)
faschistisch.«
Die Gebildeten und Wohlhabenden sind angenehmer im Umgang, bessere Menschen sind sie nicht. Sie sind nur geschmeidiger.
Aggressive Abwehrreaktionen gegen das Fremde sind menschlich. Ebenso ist es ganz normal, anderen Leuten dieSchuld an der eigenen miesen Lage zu geben. Jeder tut das. Filme und Bücher aber, die versuchen, sich in den Ausländerfeind hineinzuversetzen und ihn mit ein paar menschlichen Zügen zu versehen, haben in den letzten Jahren immer wieder für Skandale gesorgt. Sie heißen zum Beispiel »Oi Warning« oder »Beruf Neonazi«.
Man soll den Ausländerfeind gefälligst dämonisieren. Man soll so tun, als sei er völlig anders als wir.
Ein Tier ohne die geringste Spur von Fremdenfeindlichkeit war die Dronte, ein flugunfähiger, nicht allzu schöner, nicht übermäßig intelligenter, aber mit einem liebenswerten Gemüt versehener Riesenvogel. Sie hatte vor niemandem Angst und war zu jedem freundlich. Was hat es der Dronte gebracht? Sie ist von den Menschen ausgerottet worden. Im Pariser Museum für Naturgeschichte steht noch so eine Dronte, ausgestopft. Sie schaut uns an. Ratlos.
Positives Denken
Das Bürgerhaus von Pullach liegt zauberhaft schön über dem Isartal, und das passt schon mal gut zu dem Workshop »Positiv Fühlen« mit Steven Bolarinwa. In der Ankündigung, die im Internet steht, heißt es: »Du kannst deinen Körper mit dem Positiven Fühlen in einen physiologischen Funktionsmodus bringen, den du normalerweise nur einnimmst, wenn du glücklich verliebt bist. Du setzt dir selbst willentlich die rosarote Brille auf, wann immer du das möchtest. Du benötigst gerade mal 20 bis 30 Sekunden, um belastende Emotionen dauerhaft in Glücksgefühle umzuwandeln.« Es kostet 240 Euro.
Gegenüber findet zeitgleich ein Hypnoseseminar statt, im Foyer des Bürgerhauses zeigen sie die Ausstellung »Selbstbestimmtes Wohnen im Alter«. Am Eingang des Seminarraums steht Steven Bolarinwa und kassiert. Scheckkarten werden nicht akzeptiert.
Steven ist ein gutaussehender, schlaksiger, sehr sympathisch wirkender Mitdreißiger vom Typus »junger Obama«. Er sagt, er sei eigentlich Musiker, als Musiker muss man ja quasi auf Knopfdruck gut drauf sein. Das fiel ihm nicht immer leicht. Dann hat er ein Buch von Ella gelesen, und von da gab es, was das Gutdraufsein betrifft, keine Probleme mehr. Jetzt gibt er selber Seminare – so spielt das Leben.
Die Organisation »Ella Kensington« ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz, sie behauptet von sich, der»größte Anbieter von Glücksseminaren im deutschsprachigen Raum« zu sein, 30 000 Teilnehmer bisher. »Ella Kensington« ist ein Pseudonym für Bodo Deletz, Autor von etlichen Glücksbüchern, die meist eine Mischung aus romanhafter Handlung und Lebenshilfe bieten. Sie tragen Titel wie »Robin und das Positive Fühlen« oder »Die 7 Botschaften unserer Seele«. Auf der Website »Ella.org« heißt es, dass Bodo Deletz sich jetzt Ella nennt, weil ihm »der Rummel um die eigene Person zu viel wurde und seine Bücher allesamt Bestseller« geworden sind. Welchen Sinn ein Pseudonym hat, das jeder kennt, weiß ich leider auch nicht.
Als Laie denkt man: »Zu so einem Glücksseminar kommen vor allem Frauen.« Aber das stimmt nicht, ein Drittel von uns sind Männer. Wir sind etwa vierzig Leute, meist von Ende dreißig bis Anfang fünfzig. Man sieht uns, glaube ich, an, dass wir alle nicht am Hungertuch nagen. Die Frauen nehmen die vorderen Sitzreihen ein, die Männer sitzen fast alle hinten. Dazu spielt Musik, »Queen«, Michael Jackson und Ähnliches. Wir müssen uns nicht vorstellen. Steven fragt: »Wer hat schon mal ein Buch von Ella gelesen?« Alle heben die Hand, bis auf mich. Anschließend müssen wir unseren beiden Sitznachbarn die Hand geben. Wir müssen uns gegenseitig versprechen, dass wir uns keinen Stress machen. Man schaut sich in die Augen, gibt sich die Hand und sagt: »Kein Stress!«
Nun erklärt Steven, dass wir von allem, was um uns herum passiert, sowieso nur zehn Prozent mitkriegen. Das Geheimnis des Glücks besteht darin, dass es die richtigen zehn Prozent sind, die glücklich machenden zehn Prozent.
Wir sollen uns überlegen, was wir gerne und gut tun, das ist die erste Übung. Steven fragt: »Wer von euch ist zum Beispiel gut im Bett?« Da meldet sich nur einer der Männer ausder letzten Reihe. Jetzt sollen wir »hochziehen« und »runterziehen«. Hochziehen heißt, dass man positive Gefühle, die warm sind
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