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Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)

Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)

Titel: Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Martenstein
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meistens mit einem Gefühl der Machtlosigkeit zusammen. Probleme ziehen einen nur dann völlig runter, wenn man glaubt, dass man sie nicht angehen und nichts daran ändern kann. Nur das seien die wirklich harten Probleme. Aber man irre sich oft bei der Beurteilung von Problemen, und zwar deshalb, weil man falsche Prioritäten hat. »Manager arbeiten sich halb tot, aber wenn man sie fragt, was ihnen das Wichtigste ist, antworten viele, das sei die Familie, die Kinder. Und sie lügen nicht. Ihr Gehirn suggeriert ihnen aber im Alltag völlig falsche Prioritäten und Notwendigkeiten. Warum? Weil sie ständig denken, der Säbelzahntiger sei hinter ihnen her und es ginge ums Überleben.«
    Im Kern, denke ich, laufen Stevens, Ellas und Bodos Weisheiten nicht selten auf eines der Lieblingssprichwörter meiner Großmutter hinaus: Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Oder auch: Alles halb so wild. Andere sagen: Eile mit Weile. Sorge dich nicht, lebe – nein, das ist nicht von meiner Oma. Das ist auch schon wieder ein Bestsellertitel.
    Regelmäßig müssen wir uns in Gruppen zusammensetzen und gemeinsam unsere glücksverhindernden Probleme herausfinden, um sie anschließend gemeinsam wegzuwedeln. In unserer Männergruppe sind es, vermute ich, typische Männerprobleme: Wir müssen zu viel arbeiten, vor allem am Wochenende. Wir können bei unserem Chef nicht »nein« sagen. Die verdammte Steuererklärung. Beim Herunterladen von Software sind wir in die Falle einer Betrügerfirma geraten.
    Guido, der Autoverkäufer, geht irgendwann, er sagt, das bringt ihm nichts. Insgesamt gehen drei oder vier Teilnehmer. Klaus und ich schließen uns einer Frauengruppe an, da gibt es auf einmal völlig andere Probleme, meistens mit dem Partner. Der Partner hat die Frauen entweder verlassen, oder der Partner hat negative Eigenschaften, mit denen sie nicht klarkommen. Vielleicht arbeitet er ja zu viel, auch am Wochenende. In einer Pause sagen die Frauen, draußen, rauchend, dass sie nicht daran glauben, mit Hilfe des Wedelns zum Orgasmus gelangen zu können. Beim besten Willen nicht. Andererseits, das, was man in 30 Jahren emotional und physisch gelernt habe, könne man so schnell nicht ablegen. Man muss halt weiterwedeln, dann kommt es irgendwann.
    Klaus sagt in einer der Pausen, dass es in seiner Firma vor allem deshalb ständig mehr Stress gibt, weil sie immer weniger Leute sind, bei gleichem Arbeitsaufwand. Früher wäre man in dieser Situation vielleicht zur Gewerkschaft gegangen. Heute besucht man einen »Positiv Fühlen«-Workshop.
    Steven entwickelt unterdessen die Methode weiter. Das Geld liegt auf der Straße, ruft er, du musst nur danach greifen. Dank der Methode verdoppelt sich die Leistungsfähigkeit. Es werden immer mehr Schritte, erst fünf, später sogar sieben. Sich runterziehen lassen ins negative Denken, er nennt das »ins Gefühl gehen«, wedeln, sich fragen, ob das Problem, das einen runterzieht, lebensgefährlich oder existenzbedrohend ist, verneinen, das Chi langsam wieder hochkommen lassen, damit es leicht und frei in die Helligkeit aufsteigen kann, das Problem neu bewerten, positiver, dann wieder wedeln ... es ist nicht einfach, sich die Reihenfolge zu merken, zumal man immer noch von Zeit zu Zeit hochspringen und zur Musik der »Prinzen« die Faust recken muss.
    Ich werde, glaube ich, nie wieder die »Prinzen« hören können. Das ist eindeutig ein Ergebnis des Seminars. Gegen Krankheiten hilft es übrigens nicht. Das sagt Steven ausdrücklich. Krankheiten scheinen, auch in Stevens Welt, ein echtes, unwegwedelbares Problempotential zu enthalten. Was ist eigentlich aus der Ärztin geworden, die damals die Krebsdiagnose bekommen hat? Die hat er gar nicht mehr erwähnt.

Meinungsfreiheit
    Vor einigen Jahren habe ich versagt. Eine Mail war gekommen, von der Wochenzeitung »Junge Freiheit«. Der »Jungen Freiheit« war es verboten worden, bei der Leipziger Buchmesse ihren Stand aufzubauen. Sie hatten dort seit Jahren einen Stand. Jetzt hieß es: Proteste linker Gruppen seien zu erwarten. Das Verbot erfolge aus Gründen der Sicherheit.
    Die »Junge Freiheit« wollte, dass ich eine Solidaritätserklärung unterzeichne. Die Zeitung ist rechtskonservativ. Um eine Nazizeitung handelt es sich nicht, dazu gibt es immerhin ein Gerichtsurteil. Ob bei uns jemand öffentlich auftreten darf oder nicht, sollten meiner Ansicht nach Richter entscheiden, nicht die Direktion einer Buchmesse.
    Im Grunde war es ein ähnlicher,

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