Romanzo criminale
öffentlichen Verkehrsmittel gefahren. Das war was für Vorstadtwichser. Aber an diesem Abend tröstete ihn das Vibrieren des Motors, das Klirren der Fensterscheiben bei den Haltestellen. Es war, als würde er nach langer Abwesenheit nach Hause zurückkehren und alles unverändert vorfinden. Als hätte sich in der Zwischenzeit nichts Falsches ereignet. Eine Zeitlang waren sie allein, er und der Fahrer. Dann stieg ein Betrunkener ein und machte ihn an.
– He du, letzte Nacht ist mir San Gaspare erschienen … oder war es San Vincenzo? Was glaubst du, war es der Heilige oder war es nur eine Halluzination?
Freddo kramte in seiner Tasche und bot ihm Geld an. Der andere lehnte beleidigt ab.
Zwei junge Fußballfans stiegen ein, mit leuchtenden Augen und Bierdosen in der Hand. Der Betrunkene begann wieder vor sich hinzureden. Die beiden Jungen beschimpften ihn. Der Betrunkene ignorierte sie, er war so besoffen, dass er nicht wahrnahm, was rund um ihn passierte. Sie schubsten ihn. Der Betrunkene schwankte und stürzte schwerfällig zwischen zwei Sitzen zu Boden. Die Jungen fielen über ihn her.
– Lasst ihn in Ruh, sagte Freddo.
Die beiden drehten sich ungläubig um und lachten unverschämt. Dann wandten sie sich wieder dem Betrunkenen zu, der sich aufzurichten versuchte. Freddo stürzte sich schweigend auf sie. Den einen packte er an den Schultern und drehte ihn um, nahm ihn an der Jacke und schleuderte ihn gegen den Fahrscheinautomaten. Den anderen streckte er mit einem Tritt in die Eier nieder.
– Halt an und mach die Tür auf, sagte er zum Chauffeur.
Der hatte die Szene im Rückspiegel beobachtet und kam der Aufforderung eilig nach. Freddo warf die beiden Rowdys auf die Straße.
– Fahr weiter.
Der Autobus setzte sich wieder in Bewegung. Freddo half dem Betrunkenen beim Aufstehen und steckte ihm das ganze Geld, das er bei sich hatte, in die Tasche. Dann hielt er den Bus wieder an. Er hatte genug.
Am Morgen darauf, bei Trentadenari, war er wieder ganz der Alte.
– Scheiße. Ihr seid alle ein Haufen Scheiße. Ihr habt nicht einmal den Mumm zu sagen, was los ist. Nur Nero … Nero, der fünf Bleisplitter im Kopf hat … ein Haufen Scheiße …
Fierolocchio, Trentadenari und Scrocchiazeppi ließen die Schelte mit gesenktem Kopf über sich ergehen. Ameisen und Pferde bibberten vor Angst. Sogar Botola war ehrlich betrübt. Nur Dandi kämmte sich den Schnurrbart, den er seit Neuestem Patrizia zuliebe trug, und machte sich über ihn lustig.
– Ist doch gut ausgegangen, oder nicht? Beim nächsten Mal wird dein Bruder vorsichtiger sein!
– Es gibt kein nächstes Mal. Wer Gigio auch nur ein Gramm verkauft, ist ein toter Mann. Und jetzt möchte ich wissen, wer es war.
II.
Zu Beginn des Sommers wurde Bufalo plötzlich in die Irrenanstalt Montelupo Fiorentino verlegt. Die Gutachter hatten beschlossen, ihn einer „pharmakologisch gestützten“ Beobachtung zu unterziehen. Conte Ugolino, ein Koloss aus Viareggio, von dem man sich erzählte, er habe einen unlauteren Konkurrenten beim Kokshandel beinahe bei lebendigem Leib aufgefressen, erklärte ihm noch am selben Abend, wie die Therapie an diesem düsteren Ort aussah.
– Man stopft dich mit Pillen voll und schaut, wie sie wirken.
– Und dann?
– Wenn du dich nicht veränderst, schauen sie durch die Finger. Wenn du aber zu zahm wirst … erklären sie dich für geistig gesund und du bist im Arsch.
– Ich nehme keine Pillen!
– Wenn das so leicht wäre! Die finden hier schon eine Möglichkeit, sie schütten sie dir ins Essen, ins Wasser, und du bemerkst es nicht mal …
– Dann bin ich im Arsch!
– Aber was redest du, Römer! Essen von draußen und zwei Finger in die Gurgel, und du fickst sie in den Arsch!
Zuerst hatte sich Bufalo mit der Verlegung nicht abfinden können. Sich für unzurechnungsfähig zu erklären, um lebenslänglich zu vermeiden, war eine Sache. Bei echten Verrückten zu landen, eine andere. Aber er stellte bald fest, dass es hier nur wenige wirklich Verrückte gab und die meisten wegen lachhafter Verbrechen hier waren: ein Ex-Wächter aus Neapel, der von Stimmen aufgefordert wurde, an frischen Gräbern zu onanieren, ein Säufer, der seit sechs Jahren einsaß, weil er eine Kiste Stravecchio Branca geklaut hatte und nie wieder rauskommen würde, weil er keine Familie hatte, ein Fixer, der einen Freund beraubt und ihm am nächsten Tag das Geld zurückgegeben hatte und wahrscheinlich gerade aufgrund dieser originellen Idee eingesperrt
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