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Romanzo criminale

Romanzo criminale

Titel: Romanzo criminale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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orangefarbenen Licht der Videosprechanlage mit angespanntem Gesicht dastand. Nero sagte nur, „Komm runter, wir müssen wohin“, und er folgte ihm ohne Fragen zu stellen.
    Mit wenigen Worten erklärte ihm Nero, worum es ging. Freddo spürte einen tiefsitzenden Schmerz.
    – Ich muss meinen Vater anrufen, flüsterte er.
    – Bereits geschehen, tröstete ihn Nero.
    Die Klinik befand sich inmitten eines blühenden Magnolienhains in Parioli. Vor der Tür zum Krankenzimmer warteten sein Vater und seine Mutter. Nero und die Krankenschwester blieben in einigen Metern Abstand stehen. Freddo ging entschlossen hinein. Seine Mutter hatte ein Taschentuch in den Händen und rote Augen. Sein Vater versperrte ihm den Weg.
    – Ich will ihn sehen, sagte Freddo.
    Sein Vater stellte sich zwischen ihn und die Tür. Ein kleiner, zerfurchter Mann mit grauen Haaren und stolzem, schmerzerfülltem Blick.
    – Bitte lass mich durch!
    Seine Mutter berührte ihn am Arm. Der Vater machte einen winzigen Schritt zur Seite. Gigio lag im bläulichen Halbdunkel, seine Augen waren geschlossen und in seinem Gesicht lag ein Ausdruck von Resignation. Seit der Geschichte mit Roberta hatte er ihn nicht mehr gesehen. Lange Jahre des Schweigens und der Feindseligkeit. Freddo strich vorsichtig mit zwei Fingern über die Stirn, die ihn an die eines Lämmchens erinnerte, über die schmale Nase, den ungepflegten Bart, die verschwitzten Haare. Er weinte. Vanessa tauchte an der Tür auf.
    – Doktor Spadaro will dich sprechen.
    Draußen lehnte Nero rauchend an einer Wand voller Priesterporträts. Die Priester stammten aus aller Herren Länder. Freddos Eltern stützten sich gegenseitig. Vanessa führte sie ins Büro der Krankenhausverwaltung. Doktor Spadaro war ein Mann um die fünfzig mit rotem Gesicht und kleinen, blutunterlaufenen Augen.
    – Ihr Bruder ist außer Gefahr. Ich habe keine Einstiche gefunden, deshalb glaube ich nicht, dass er süchtig ist. Offensichtlich ist es gleich beim ersten Mal schiefgegangen. Er wird davonkommen. Ich würde ihn gerne drei bis vier Tage beobachten, dann kann er nach Hause gehen.
    Freddo dankte ihm und sagte, er würde für die Kosten aufkommen.
    Spadaro zog die Nase hoch.
    – Angesichts einiger Umstände, von denen mich Signorina Vanessa in Kenntnis gesetzt hat, haben wir es für besser gehalten, die Behörden nicht zu informieren …
    Auf dem Rückweg erzählte ihm Vanessa, dass der Arzt ein halbes Gramm am Tag sniefte.
    – Wie viel verlangt er?
    – Fünfzehn Millionen für Behandlung und Schweigen und hin und wieder etwas Stoff.
    – Ist gut. Sag Trentadendari, dass ich alle Pferde und alle Ameisen sehen will. Morgen um elf bei ihm.
    – Und deinem Bruder?
    – Was?
    – Was soll ich ihm sagen, wenn er aufwacht?
    – Nichts.
    Seine Eltern standen noch immer vor dem Krankenzimmer. Nero saß in einem Sessel und blätterte zerstreut in einer Illustrierten. Freddo wich seinem Vater aus und ging direkt auf seine Mutter zu.
    – Es geht ihm gut, sagte er und schaute ihr dabei in die Augen.
    Die Frau warf sich in seine Arme. Freddo umarmte sie innig. Sie begann zu schluchzen. Freddo ballte die Hände zu Fäusten. Am liebsten hätte er sie getröstet, am liebsten …
    – Gehen wir, los.
    Nero hatte ihm eine Hand auf die Schulter gelegt. Freddo löste sich nur schwer aus der Umarmung und folgte ihm über den Korridor zum Ausgang.
    – Machen wir einen kleinen Spaziergang?, schlug Nero vor.
    – Ich möchte allein sein.
    – In Ordnung.
    – Nero …
    – Ja?
    – Danke.
    – Du hättest dasselbe auch für mich getan. Schlaf darüber und mach keine Dummheiten.
    Die Straßen waren voller verückt gewordener Fußballfans. Vierzig Jahre lang hatten sie auf den Titel warten müssen. Vierzig Jahre lang hatten sie sich von den Idioten aus dem Norden auf den Kopf scheißen lassen müssen. Diebe, Korrupte, Verräter. Sie hatten sogar den außergewöhnlichen Sieg schlechtgemacht. Sie sagten, dieser sei nur Mascellones Entscheidung zu verdanken. Diebe. Die Fans sprangen in die Brunnen, schwenkten Fahnen, schmissen Schaufenster ein. Die Fußballfans weinten vor Freude. Die Fußballfans leiden gerne, fast so gerne, wie sie siegen. Auch Freddo war ein Roma-Fan. Und dieser Sieg hatte ihm ein vages Gefühl der Wiedergutmachung gegeben. Aber jetzt war er tausend Meilen von alldem entfernt. Das Antlitz des Lämmchens ging ihm nicht aus dem Sinn. Er stieg in einen Nachtautobus. Seit er die Schule verlassen hatte, war er nicht mehr in einem

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