Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Romanzo criminale

Romanzo criminale

Titel: Romanzo criminale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giancarlo de Cataldo
Vom Netzwerk:
Gewissheit, die ihn während seines ganzen, nicht gerade kurzen Lebens begleitet hatte: dass es ewig dauern würde. Vecchio hatte Glück: Die Sekretärin war noch einmal gekommen, um ihm gute Nacht zu sagen. Sie sah, wie er röchelnd und blau im Gesicht am Schreibtisch saß, eine Hand auf dem Schachroboter und die andere auf der Zeichnung der Piazza del Popolo von Piranesi, und eine halbe Stunde später erklärte der diensthabende Arzt in der Reanimation, dass er außer Gefahr sei. Mit einem Wort, ein leichter Infarkt. Man hatte nicht einmal defibrillieren müssen.
    – Jetzt müssen Sie sich aber erholen. Absolute Ruhe. Sagen Sie alle Verpflichtungen ab und schauen Sie, dass sie nicht auf dumme Ideen kommen. Diesmal sind Sie davongekommen, das nächste Mal schaffen Sie’s vielleicht nicht mehr!
    Verdammt. Dabei war doch noch so viel zu tun. Wo er doch so vieles noch nicht gemacht und immer aufgeschoben hatte. Bei den vielen verpassten Gelegenheiten und der Trauer über die verpassten Gelegenheiten, die sich in einem Winkel des Herzens versteckte ... bei dem Wort Herz bekam er einen Wutanfall. Der Hinweis war wie ein Schlag auf die Sanduhr, eine plötzliche Beschleunigung in Richtung Abgrund, ein beständiges Zupfen am Chagrinleder ... Hatte das alles einen Sinn? Appellierte die Stimme Gottes an sein Gewissen oder handelte es sich nur um die banalen Verschleißerscheinungen einer alten Pumpe?
    Am dritten Tag kam ihn Zeta besuchen. Bei aller Fürsorge war es offensichtlich, dass er von seiner raschen Genesung enttäuscht war. Zeta wollte die Nachfolge antreten. Dafür hätte er alles getan, er war sogar bereit, einen Schwenk nach links zu machen. Aber Vecchio erholte sich schnell und war zu der Überzeugung gekommen, dass sich hinter dem Zeichen eine Botschaft verbarg. Beeil dich, sagte die Stimme. Beeil dich, so sehr du kannst. Aber mach nur das, was du wirklich willst. Wenn man ihm vor Jahren die verhängnisvolle Frage gestellt hätte, hätte er ohne zu zögern geantwortet: Ich will alles und sofort. Die ganze Welt. Die absolute Macht. Die Ewigkeit. Im Verlauf der Zeit hatte sich die Bandbreite der Wünsche auf gefährliche Weise verringert. Aber die Intensität der Wünsche war unverhältnismäßig gewachsen. Hin und wieder verspürte er einen akuten und intensiven körperlichen Schmerz. Hier berührten sich die Extreme und der Infarkt wurde zu einem verzweifelten Appell. Beeil dich. Er wollte jetzt Frischfleisch. Er wollte eine Sammlung alter Gemälde, die er allein in der gedämpften Stille seines Büros bewundern konnte. Er wollte eine lebensgroße Coppélia mit einer eingebauten Walze, die Originalmusik von Léo Delibes spielte. Er wollte in Marrakesch nacktbaden. Er wollte mit einer großen Völlerei abdanken, mit einem letzten höhnischen Gelächter. Alles, was er wollte, hatte einen Preis. Den höchsten. Und vor allem, verdammt noch mal, wollte er spielen, spielen. Vecchio ließ sich ein Telefon bringen.
    Als Erstes wurde der Club in der Via Merulana geschlossen. Die Automaten wurden beschlagnahmt und versiegelt, der Geschäftsführer, ein alter Knacki mit dreißig Jahren Knast auf dem Buckel, wurde auf freiem Fuß wegen Glücksspiels und Verstoßes gegen die Auflagen der Freiheit unter Polizeiaufsicht angezeigt. Im Verlauf einer Woche wurden auch die Clubs in Ostiense, Pietralata, Via Livorno, Prati Fiscali und Orti di Trastevere geschlossen. Dandi schäumte vor Wut und machte Miglianico eine Szene. Der Anwalt traf Zeta im Botanischen Garten. Der Spion rauchte eine lange kubanische Zigarre und war stinksauer.
    – Ich habe mit dieser Geschichte nichts zu tun. Anordnung von Vecchio. Ihr müsst mit Peloso sprechen.
    – Wie geht es Vecchio?
    – Er dreht durch. Zum Glück geht er bald in Pension.
    Peloso war das letzte Meisterwerk von Vecchio. Ein halber Mafioso: gerade sauber genug, um in gewissen Kreisen nicht aufzufallen, aber mit einem Bodensatz von angeborener Brutalität, aufgrund der er im Fall „schwieriger“ Verhandlungen ein wertvoller Gehilfe war. Als Dandi auf direktem Weg erfuhr, dass Peloso zwanzig Prozent Schutzgeld vom Nettogewinn der Automaten verlangte, nagelte er ihn an die Wand. Peloso befreite sich mit einem Judogriff und Dandi landete flach auf dem Boden. Sie befanden sich in der Kanzlei Miglianicos. Dandi stand auf und schwang einen schweren Onyxaschenbecher. Der Anwalt warf sich dazwischen. Sie sollten doch versuchen, vernünftig zu sein. Ein Abkommen zu finden. Niemand hatte was

Weitere Kostenlose Bücher