Romanzo criminale
langen Schnurrbart. Er lächelte sanft und niedergeschlagen. Er war süß. Patrizia drückte ihn an die Brust und liebkoste ihn wie ein Kind. Sie ging ins Schlafzimmer und setzte ihn neben die anderen Stofftiere. Sie sah, dass sie sich mochten. Sie leisteten sich Gesellschaft. Dann überkam sie eine stumme Wut. Sie packte den Tiger und riss ihm ein Auge aus. Sie nahm ein Messer und stach ihm in den Stoffbauch. Gleich darauf beruhigte sie sich wieder. Sie zog das Messer heraus. Versuchte den Riss so gut wie möglich zu flicken. Setzte das Auge wieder ein. Setzte den Tiger auf das Kissen. Jetzt ging es ihr besser, viel besser. Im Wohnzimmer war noch immer der Geruch des Bullen. Tabak und irgendetwas Süßliches. Patrizia sah auf die Wanduhr. Sie hatte noch eine halbe Stunde bis zur Verabredung mit drei Fußballern. Daniela war wahrscheinlich schon fertig. Patrizia ging ins Bad. Sie drehte die Dusche auf und seifte sich zwischen den Beinen ein. Dann rasierte sie sich. Manche Kunden mochten das.
IV.
Draußen hatte sich indessen das Gerücht von der Vendetta der neuen Bande verbreitet. Und während Sardo und Ricciolodoro es schon nicht mehr hatten erwarten können, ins Irrenhaus zurückzukehren – Der Kratzer am Bein? Bin mit dem Motorrad gestürzt, Herr Richter –, konnte sich Libanese gar nicht mehr der Bittsteller erwehren. Tigame war unverzüglich bestraft worden, und das hatte der ganzen Welt klargemacht, mit wem sie es zu tun hatten.
Die Kredithaie vom Campo de’ Fiori ließen Dandi wissen, dass bestimmte Leute ihn sehen wollten. So lernten er und Libanese eines Morgens Nembo Kid kennen.
Nembo Kid war ein Junge aus Pigneto. Es hieß, er hätte früher einmal der Bande von Lallo dem Hinkenden angehört, doch er stellte schnell klar, dass das Unsinn war.
– Ich bei diesen Vollidioten? Soll das ein Scherz sein?
Aber zweifellos hatte er mit den Marseillern von Berenguer und von Bergamelli zu tun gehabt, eine Zeitlang hatte er Raubüberfälle in Frankreich verübt und ein knappes Jahr hatte er in Mailand am Hof von Turatello verbracht.
– Danach hat es ein Riesendurcheinander gegeben und das Leben ist schwierig geworden … Wisst ihr, dass Epaminonda il Tebano einem Politiker einen Löwen geschenkt hat?
Dem Kredithai zufolge verfügte Nembo Kid über „gute Kontakte“. Dandi war er sofort sympathisch. Er rühmte sich, in den besten Kreisen zu verkehren, fuhr in schwarzer Lederkluft auf einem auffrisierten Motorrad herum und war höflich zu den Frauen. Etwas später stellte Nembo Kid im Hinterzimmer eines Fischlokals im Nomentano-Viertel seine „Kontakte“ vor: Maestro und Zio Carlo.
Maestro war im Kreditgeschäft groß geworden, dann hatte er im Süden und auf Sardinien in Immobilien investiert. Zio Carlo, ein eleganter, schweigsamer Alter, der jeden respektvoll grüßte, wurde als „Freund Siziliens“ vorgestellt.
Dandi und Libanese wechselten einen vielsagenden Blick: Mafia. Dabei wussten doch alle, dass sie nichts mit der Mafia zu tun haben wollten, dass sie nicht bereit waren, von irgendjemandem Befehle zu empfangen.
Maestro wollte für alle Linguine mit Calamari bestellen, dazu einen kräftigen, eiskalten Regaleali, und als Hauptspeise empfahl der Wirt, der sich vor Eifer überschlug, eine zwei Kilo schwere Goldbrasse, auf deren Rücken der Haken einen langen Riss hinterlassen hatte. Sie waren die Einzigen im Hinterzimmer. Zwei Kellner passten auf, dass sie nicht gestört wurden.
– Der Ort ist sicher, erklärte Maestro, den Fisch besorgen die Cousins von Zio Carlo aus Mazzara.
Dandi und Libanese waren jedoch Landratten und bestanden auf Bucatini
all’amatriciana
und Lamm,
abbacchio a scottadito
. Maestro bestellte verächtlich eine Flasche Barolo.
Zio Carlo sagte, Don Pepe Albanese hätte ihm von ihnen erzählt, und zum ersten Mal lächelte er.
– Um es kurz zu machen, wir brauchen jemanden in Rom, mit dem wir zusammenarbeiten können, und auf euch scheint man sich verlassen zu können.
Diese höflich vorgebrachte Einladung klang ganz anders als die plumpe Anmache des Kalabresen. Maestro erklärte, dass eine seriöse Organisation wie jene, in deren Namen Zio Carlo sprach, nicht die Angewohnheit hatte, in fremdes Territorium einzudringen. Damit brachte er ganz klar zum Ausdruck, dass die Ewige Stadt, wo alle Fäden zusammenliefen, wenn ein ernsthaftes Geschäft in Aussicht war … die Ruinen des alten Rom … sogar der Teller Bucatini, den Libanese angesichts der Hoffnung, dass sein
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