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Romanzo criminale

Romanzo criminale

Titel: Romanzo criminale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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schrien, brüllten, spuckten, fluchten und stießen unflätige Beschimpfungen aus. Verbrecher. Handlanger. Null Moral. Aber sie verrieten niemanden. Libanese gab sein schiefes Grinsen nicht einmal dann auf, wenn Druck auf ihn ausgeübt wurde. Er war eiskalt und intelligent. Im Gefängnis hatte er einem Boss der ’Ndrangheta gesagt, er solle ihn am Arsch lecken. Er hatte Charisma. Ein geborener Boss. Einzig und allein er konnte die Idee der Entführung gehabt haben. Fierolocchio und die Buffoni-Brüder blickten zu ihm auf wie die Kinder im Religionsunterricht zum hl. Herz Jesu. Er hielt sie zusammen, er war das Bindeglied. Libanese war aus der Sicht der Ermittler eine Sackgasse. Zu hart. Freddo sprach nur so viel wie nötig. Er fluchte nicht. Er offenbarte nichts von sich. Er gab seine Gedanken nicht preis. Wie ein Kind, das zu viel erlitten und nie die Fähigkeit erworben hat, über das Trauma zu sprechen. Er und Libanese begegneten einander auf gleicher Augenhöhe. Als ob jeder der beiden im anderen die Eigenschaften suchte, die ihm selbst fehlten, um perfekt zu sein. War es vielleicht eine Frage der Qualität oder der Quantität von Mut? Ging es um die Verachtung der Gefahr? Um die Fähigkeit vorauszublicken? Ihre Biografien waren unterschiedlich. Libanese kam aus der Gosse, Freddo aus einer anständigen Familie. Irgendwann hatten ihre Wege sich gekreuzt. Aus dieser Begegnung war eine schreckliche Kraft hervorgegangen. Scialoja spürte, wie sie von Tag zu Tag wuchs, wie ein widerlicher Organismus. Freddo war auf jeden Fall ein Rätsel. Scialoja war er instinktiv sympathischer als die anderen. Bufalo, groß und fett, inszenierte sich als Wahnsinniger: Mal schwieg er, dann hatte er wieder einen Wutanfall. Dumm war er allerdings nicht. Hin und wieder griff er den schwächeren Buffoni-Brüdern kameradschaftlich unter die Arme, und sogar Libanese zollte ihm freundschaftlichen Respekt. Wie einem begabten Kind, das allerdings ständig Gefahr läuft, in einen Abgrund zu fallen, aus dem man es nicht mehr befreien kann. Bufalo musste man im Auge behalten. Gefährlich, hinterhältig. Dann war da noch Dandi. Scialoja verhörte ihn zwei-, dreimal. Dandi war der Arroganteste von allen. Aber es war eine subtile Arroganz: einstudiert und bewusst, gleichzeitig aber auch instinktiv. Immer perfekt rasiert, mit gut geschnittenen Anzügen, voller Respekt gegenüber dem stellvertretenden Staatsanwalt. Zynisch nur, wenn es die Situation erforderte. Wenn man ihm Gelegenheit gab, geschwätzig und schlagfertig. Er strengte sich ungeheuer an, ein Gentleman zu sein. Scialoja fragte sich, ob hinter diesen Manieren eines Möchtegern-Bürgers eine Frau stand. Vielleicht sogar Patrizia. Vielleicht war ihre Beziehung komplexer als die zwischen einer Hure und ihren vielen Laufkunden. Dandi verfügte nicht über die scharfe Intelligenz von Libanese oder die Spontaneität Bufalos, nicht einmal über die geheimnisvolle Kraft, die aus Freddos Schweigen hervorging. Der Umgang mit den anderen schien jedoch auf ihn abgefärbt zu haben. Wenn Libanese ein geborener Boss war, dann war Dandi ein gelehriger Schüler, der den Lehrmeister bald übertreffen würde. Mit Leuten dieses Kalibers mussten sie sich messen. Scialoja trat einen Canossagang zu dem alten Kollegen von der Einsatzpolizei an, dessen Vertrauensmann Pino Gemito, der Gorilla des armen Terribile, war. Aber Pino Gemito war nicht da, und wenn er da war, dann hatte er so tief geschlafen, dass ihn das Klopfen an der Tür nicht geweckt hatte. Mit einem Wort: Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen.
    – Das ist der Beweis, sagte Scialoja, dass sie es waren.
    Borgia nickte.
    – Wenn sie einem wie Pino Gemito den Boss vor der Nase abknallen und er es schluckt ...
    – Heißt das, dass inzwischen die anderen am Ruder sind?
    Scialoja verfasste einen kurzen Bericht voller Anspielungen und Gleichungen mit drei Unbekannten: Man nimmt an, dass ... man mit gutem Grund eine Verbindung zwischen ... vermuten kann. Vasta lachte herzlich und forderte die sofortige Entlassung aller. Borgia sagte, da sei er anderer Meinung. Aber nur, um das Gesicht zu wahren. Der Anwalt hatte Recht. Diesmal mussten sie nicht einmal bis zum Berufungsgericht gehen. Diesmal wurden sie schon vom Untersuchungsrichter entlassen. Während Borgia das vierseitige Dokument unterschrieb, dessen einziger Effekt darin bestand, den vermeintlichen Schuldigen ein paar Tage Freiheit zu rauben, kam ihm plötzlich ein Verdacht.
    – Ich frage mich

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