Romanzo criminale
Gleichberechtigten. Wie das mit Zio Carlo. Ich gebe dir was und du gibst mir dafür was anderes. Sie geben uns die Macht und wir geben ihnen dafür die Straße. Nicht mehr und nicht weniger. Was war daran schlecht?
Freddo gewann langsam seine Ruhe zurück. Er setzte sich wieder hin und baute noch einen Joint. Er zündete ihn an und machte einen Zug, allerdings ohne ihn seinem Freund weiterzureichen.
– Sehr gut, Libano! Du hast also eine Bande gegründet, in der die Faschisten, die Neapolitaner, die Cosa Nostra und jetzt auch noch die Spione zusammenarbeiten ... was willst du eigentlich erreichen?
Libanese, der auf Freddos Sarkasmus nicht gefasst war, ruderte mit den Armen und schnaubte. Freddo hatte den Eindruck, dass er zweierlei sagen wollte: erstens, dass man sich die ganze verdammte Welt untertan machen konnte, und zweitens, dass es dumm und sinnlos war, sich zu fragen, „was man erreichen“ wollte.
– Wenn du mitmachst, sagte er schließlich, mache ich aus diesem Wrack einen Ferrari!
– Ich?, lachte Freddo bitter. Ich glaube, du bist verrückt geworden, Libano!
Diesmal verlor Libanese die Nerven. Sollte sich Freddo doch lustig machen! Was glaubte er eigentlich? Dass er, Libanese, die ganze Sache nur aufgezogen hatte, um zu enden wie ein Wichser aus der Vorstadt, wie ein billiger Vorstadtfreak? Wenn er ein Leben lang ein armer Schlucker hätte bleiben wollen, wäre er in die Fabrik gegangen, oder schlimmer noch, hätte er die Schule abgeschlossen, irgendeine fixe Anstellung hätte er mit seinem Verstand wohl gefunden. Aber er wollte alles, das Beste, und das war der richtige Augenblick, es sich zu nehmen! Aufhören! Was für eine dumme Idee! Aussteigen und ein Leben fristen wie irgendein Kleinkrimineller am Stadtrand! Aussteigen und vielleicht von irgendeinem Wichser erschossen werden, am Ausgang einer armseligen Spielhölle! Diese Ideen konnte Freddo ruhig bei sich behalten! Oder war er vielleicht an der Seite dieser Roberta blöd geworden? Hatte sie ihm den Floh vom Aussteigen ins Ohr gesetzt?
– Lass Roberta in Ruhe, sagte Freddo drohend.
– Die nimmt dir sowieso keiner weg!, schrie Libanese, ging hinaus und schlug die Tür hinter sich zu, stinksauer.
War ihm Freddo abhandengekommen? Auch recht. Er würde allein weitermachen.
II.
Scialoja war in Modena in eine Art Lethargie verfallen. In Modena gab es mehr Kommunisten als in ganz Italien. In Modena gab es mehr Ferraris als in ganz Italien. In Modena gab es mehr Drogensüchtige als in ganz Italien. Drogensüchtige auf dem Viale delle Rimembranze, Drogensüchtige vor dem Storchi-Theater, Drogensüchtige rund um den Ring des alten Campo Comunale, hohlwangige und stinkende Drogensüchtige, drogensüchtige Hippies mit Gitarren und langen Bärten, Drogensüchtige, die es dir für zwanzig Riesen besorgten, Drogensüchtige, die sich auf einem schmutzigen Karton den goldenen Schuss setzten und mitten unter den Leuten liegen blieben, bis am nächsten Morgen der Leichenwagen kam. Drogensüchtige, Drogensüchtige, Drogensüchtige, überall Drogensüchtige. Scialoja träumte sogar von ihnen. Die Drogen waren der springende Punkt. Die Drogen setzten Geldströme in Gang, aus denen sich das Verbrechen nährte. Drogen waren die perfekte zeitgenössische Form der Kapitalakkumulation. Scialoja hätte den Drogensüchtigen von Modena dankbar sein sollen. Sie hatten ihm die Augen geöffnet. Jetzt wusste er, wohin das Lösegeld aus der Entführung des Barons geflossen war. Die Jungs von Libanese hatten es verwendet, um ins Drogengeschäft einzusteigen. Wer den Drogenmarkt kontrolliert, kontrolliert die Stadt. Die Jungs von Libanese kontrollierten die Stadt. Das wusste er jetzt. Aber Rom blieb für ihn
off limits
. Mit Borgia hatte er seit dem unglückseligen Vormittag, als er den Blick abgewandt und zu allem ja und amen gesagt hatte, kein Wort mehr gewechselt. Scialoja reinigte die Straßen der reichen roten Emilia von den Drogensüchtigen und lernte in seiner Lethargie zu vergessen. Er würde die Welt nicht verändern. Er würde die Hure nicht wiedersehen, wegen der er den Kopf verloren hatte. Scialoja bewegte sich wie unter dem Einfluss einer wohltuenden Narkose. Er aß jede Menge Prosciutto di Langhirano, gebratene Pilze und Erbazzone von den Hügeln über Reggio. Wenn er nicht gerade einen Noteinsatz hatte, schlief er viel und wurde fett. Er kaufte sich eine alte Ducati Carenata aus zweiter Hand. Ein Kollege aus Formiggine hatte ihm den Motor auffrisiert. Für
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