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Romanzo criminale

Romanzo criminale

Titel: Romanzo criminale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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weiter, wider besseres Wissen. Die Scheinwerfer des Pionierkorps beleuchteten den verbogenen Stahl, die Steinbrocken der Grundmauern, die in die zerstörten Waggons geschleudert worden waren, die zerborstenen Scheiben der Materiallager, das versengte Gras, das die Techniker vom Erkennungsdienst mit ihren kalten, armseligen Acetyllampen auf Sprengstoffspuren hin untersuchten. Um Mitternacht setzte er sich, von seinen Gefühlen überwältigt, auf ein Gleis und zündete sich die letzte Zigarette an. Die Nacht war sternenklar. Eine Hand rüttelte unsanft an seiner Schulter.
    – Der Aufenthalt hier ist verboten. Ausweis bitte.
    Scialoja richtete sich auf und zog den zerknitterten Ausweis aus der Tasche. Der Bahnhofspolizist kratzte sich am Kopf.
    – Tut mir leid, Kommissar. Aber ich habe den Befehl, das Gebiet vollständig zu räumen.
    – Was ist los? Kommt Pertini?
    – Keine Ahnung. Ich tue nur, was man mir gesagt hat.
    Scialoja entfernte sich ein paar Schritte, verschwand in der Dunkelheit. Aber er war neugierig geworden und blieb in der Nähe. Nach ein paar Minuten kamen drei Männer. Scialoja erkannte sofort Zeta und Pigreco. Mit dabei war ein alter, korpulenter Mann. Ein hohes Tier, dem Respekt nach zu schließen, den ihm die beiden Spione zollten. Scialoja war zu weit weg, um zu verstehen, was sie sagten. Aber es war ziemlich eindeutig. Zeta gestikulierte heftig mit den Armen. Der Alte nickte, wenig überzeugt. Pigreco blickte sich besorgt um. Zeta versuchte den Alten von irgendetwas zu überzeugen. Der Alte ließ sich aber nicht überzeugen. Zeta rechtfertigte sich. Zeta war in Schwierigkeiten. Scialoja dachte, es wäre amüsant gewesen, aus der Dunkelheit herauszutreten. Die Pistole zu ziehen und die drei zu stellen. Die Unbekannten aufzufordern, sich auszuweisen. Sich an ihrem Unbehagen und ihrem Ärger zu weiden. Aber das wäre nur ein sinnloses Bravourstück gewesen. Die Anwesenheit von Geheimdienstbeamten auf der Bühne des Massakers war mehr als gerechtfertigt. Sie ermittelten, das war ihr Job. Aber er wusste, wer diese Männer waren. Er wusste, wen sie in Rom protegierten. Ermittelten sie, um etwas in Erfahrung zu bringen, oder um andere daran zu hindern, etwas in Erfahrung zu bringen? Scialoja ahnte Verbindungslinien, Hauptstraßen, Abzweigungen, die in dunkle, ungesunde Gassen führten. Die Ungeheuerlichkeit des Szenarios, das sich vor seinen Augen auftat, ließ ihn erschauern. Scialoja zog sich zurück, löste sich in der Nacht auf. Es wäre ihm lieber gewesen, nichts gesehen zu haben, aber er hatte gesehen. Die Lethargie war vorbei. Ein paar Tage später, als sich die Polizei europaweit auf die Suche nach dem Phantom einer bayerischen Neonazigruppe machte, die den Berichten des Geheimdienstes zufolge das Massaker angerichtet hatte, brachte Scialoja seine Beichte zu Papier und schickte sie Richter Borgia. Er war bereit, nach Rom zurückzukehren. Er war bereit, dort wieder anzufangen, wo ihn die Feigheit aufgehalten hatte. Er war bereit, die Konsequenzen zu tragen. Er vertraute Borgia. Es war richtig, dass der andere alles wusste. Scialoja schickte den Brief ab und wartete.
III.
    Libanese war nicht der Typ, der leicht von einer Idee abzubringen war. Mit Dandi, Nembo, Botola und Scrocchiazeppi hatte er keine Probleme, sie waren bereits auf seine Linie eingeschwenkt. Mit den anderen sprach er der Reihe nach, allerdings weniger offen als mit Freddo; er verschwieg die Sache mit den Spionen und versuchte seine Rede ihrer jeweiligen Psychologie anzupassen. Trentadenari erbat Bedenkzeit. Bufalo schüttelte zuerst seinen großen Schädel, dann nahm er den Gewinn eines ganzen Monats und übergab ihn Secco. Fierolocchio und die Buffoni-Brüder zauderten. Ricotta lachte ihm ins Gesicht und schickte ihn zum Teufel: Sein Geld sei sein Geld, er mache damit, was er wolle! Nero nahm den Vorschlag ernst und versprach ihm, sich an dem Geschäft mit den Lokalen und den Läden zu beteiligen, sobald er ein paar „Unannehmlichkeiten“ bereinigt hatte, also wahrscheinlich erst im Herbst. Libanese schätzte Nero immer mehr, seine Diskretion, seine entschiedene und nie arrogante Art. Er bat ihn, ein gutes Wort bei Freddo einzulegen.
    – Ich werde es versuchen. Aber Freddo ist einer, der sich nicht umstimmen lässt.
    Auch die Zögerlichen baten Freddo um Rat, darunter Ricotta, der wieder einmal die fixe Idee hatte, Sardo einen Brief zu schreiben. Und Freddo, loyal bis zuletzt, antwortete, dass Libanese ein Mann mit Mumm war,

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