Romeo für immer, Band 02
wiederzusehen, darin lag, sich selbst das Messer in die Brust zu stoßen, damit wir zumindest im Jenseits wieder vereint sein würden.
Ich hoffe und bete, dass es einen Unterschied macht, dass Julia durch eine Täuschung in den Selbstmord getrieben wurde. Doch ich weiß nur zu gut, wie sinnlos mein Beten ist. Ich habe mich zu weit entfernt von allem, was heilig ist. Mein Schicksal ist aufs Engste an die Söldner der Apokalypse, die dunklen Magier, geknüpft, die geschworen haben, eine Welt des Chaos und der Zerstörung zu schaffen.
Ich habe ein Blutopfer gebracht und meiner Liebsten das Leben genommen. Jetzt bleibt mir nur noch der Schwur.
»Beeile dich«, befiehlt der Mönch. »Die Wache des Prinzen wird bei Anbruch der Dunkelheit hier sein. Bis dahin müssen wir es vollbracht haben.«
Ich greife nach einem Stein. Ich bin bereit. Durch die List und den Betrug des Mönchs werde ich zu einem unsterblichen Ungeheuer werden. Doch vielleicht kann ich trotzdem ein klein wenig Wiedergutmachung leisten für das, was ich getan habe. Julia würde es von mir erwarten. Sie würde erwarten, dass ich gegen die dunkle Macht ankämpfe, die Bruder Lorenzo in mir wachgerufen hat. Sie würde erwarten, dass ich mein Dasein ehrenvoll verbringe.
Oder einen ehrenhaften Tod sterbe. Denn ich werde der Nächste sein, der stirbt. Ich werde den Blutschwur leisten, und meine Seele wird anschließend im Körper eines Toten wohnen. So machen es die Söldner – sie leben in den Körpern der Toten weiter. Das ist auch etwas, was Bruder Lorenzo vergaß zu erwähnen, bevor Julia starb und es keine Umkehr mehr gab.
Keine Umkehr …
Eins, zwei, drei, vier … Der Steinhaufen neben dem Grab wird höher, während ich mit zitternden Händen mein Schicksal freilege. Die erste Schicht Steine habe ich entfernt. Mir schlägt schon jetzt ein grauenhafter Gestank entgegen. Der süßliche, ekelerregende Geruch der Verwesung vermischt sich mit dem beißenden Gestank der letzten Ölung und eines seit langer Zeit ungewaschenen Körpers. Ich unterdrücke die aufkommende Übelkeit und hebe den flachen Stein an, den man dem Toten über den Kopf gelegt hat.
Angewidert ziehe ich meine Hände weg und ringe nach Luft.
Das Gesicht ist schwarz und verwest, abscheulich aufgedunsen und voller Insekten. Ein Käfer krabbelt über das, was von der Nase des Mannes übrig geblieben ist. Ich fahre entsetzt zurück. Gallensäure schießt mir die Kehle hoch.
Bruder Lorenzo schmunzelt. »Komm schon, Romeo. So schlimm ist es auch wieder nicht. Sobald du den Schwur geleistet hast, wirst du diesem Körper wieder zu seiner alten Pracht verhelfen.« Er beugt sich über die Leiche, um einen Blick auf das Gesicht des Mannes zu werfen, und nickt. »Ja, das ist er. Ich schwöre, er war ein gut aussehender Bursche, als er noch lebte.«
Ich schlucke meine Übelkeit hinunter, doch ich bin unfähig, mich der Abscheulichkeit, die ich soeben freigelegt habe, wieder zu nähern. »Du hast … ihn gekannt?«
»Sozusagen.« Er lächelt. »Ich habe ihn getötet.« Er sagt das leichthin, so als würde er erzählen, was es zu Essen gibt, sobald wir die Sache hinter uns gebracht haben.
Meine Lippen bewegen sich, aber es kommen keine Worte. Ich bin sprachlos, auch wenn ich weiß, dass ich eigentlich nicht überrascht sein dürfte. Er hat seinen wahren Charakter bereits in der Grabkammer gezeigt, als er sich an Julias Leid erfreute und mich lachend von ihrem sterbenden Körper wegzuziehen versuchte. Ihre Qualen bereiteten ihm Vergnügen, ihr Blut war ihm eine größere Versuchung als jeder Wein. Es hätte mich nicht überrascht, wenn er auf die Knie gefallen wäre, um ihren Lebenssaft vom Boden aufzulecken.
»Ich habe ihm vor fünf Tagen die Kehle durchgeschnitten«, fährt er fort. »Ich musste doch sicher sein, dass du einen passenden Körper vorfinden wirst.«
Vor fünf Tagen! »So lange schon? Du wusstest vor fünf Tagen schon, dass ich … ?«
Dass ich das wunderbarste Wesen auf Erden verraten würde, dass ich ihren Seelenfrieden für ein paar windige Versprechen riskieren würde.
»Ich wusste es in dem Moment, als du in meine Kammer tratst und verkündetest, dass du wieder einmal in Liebe entbrannt seist.« Er schaut mich an, und ich sehe mich mit seinen Augen. Ich erkenne, welch leichte Beute ich für ihn war. Ein liebeskranker, selbstsüchtiger Idiot, naiv und leichtgläubig.
Er lächelt und bestätigt damit mein vernichtendes Urteil über mich selbst. Er bedeutet mir, von dem
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