Ronja Räubertochter
Halle.
Hatte Knotas sie nicht aufgefangen, wäre sie gegen einen Bettpfosten geprallt.
Aber so was durfte keiner ungestraft mit Lovis machen. Da Mattis nicht in Reichweite war, verpaßte sie Knotas eine Maulschelle, daß es nur so knallte. Das war der Dank dafür, daß er sie nicht auf den Bettpfosten hatte prallen lassen.
»Raus, ihr Mannsleute! Alle!« schrie Lovis. »Schert euch zum Donnerdrummel, denn ihr treibt ja doch nichts anderes als Unfug. Hörst du mich, Mattis, raus mit dir!« Mattis warf ihr einen finsteren Blick zu. Dieser Blick konnte jeden das Fürchten lehren, nur Lovis nicht. Mit gekreuzten Armen stand sie da und sah zu, wie er die Steinhalle verließ, und hinter ihm her trotteten alle seine Räuber. Aber über Mattis' Schulter hing Birk, sein Kupferhaar fiel ihm über die Augen.
»Pfui über dich, Mattis!« schrie Ronja noch einmal, bevor die schwere Tür hinter ihm zufiel.
In dieser Nacht lag Mattis nicht in seinem Bett neben Lovis, und wo er schlief, wußte sie nicht.
»Es ist mir auch gleich«, sagte sie. »Jetzt kann ich hier kreuz und quer liegen, wie ich will.«
Aber schlafen konnte sie nicht, denn sie hörte ihr Kind verzweifelt weinen, und das Kind ließ sie nicht an sich heran und wollte keinen Trost. Dies war eine Nacht, die Ronja allein durchstehen mußte. Sie lag lange wach und haßte ihren Vater so sehr, daß sich ihr das Herz in der Brust zusammenkrampfte. Aber jemand hassen, den man jeden Tag seines Lebens so sehr geliebt hatte, war schwer, und deshalb war es für Ronja die schwerste aller Nächte.
Schließlich schlief sie ein, fuhr aber auf, sobald es tagte. Gleich würde die Sonne aufgehen, und da mußte sie oben am Höllenschlund sein, sie mußte sehen, was dort geschah. Lovis versuchte, sie zurückzuhalten, aber Ronja ließ sich nicht zurückhalten. Sie ging, und Lovis folgte ihr schweigend.
Und dort standen sie sich am Höllenschlund gegenüber, wie schon einmal zuvor, Mattis und Borka mit ihren Räubern. Auch Undis war gekommen, und Ronja hörte schon von weitem ihr Gekeife und ihre Verwünschungen. Es war Mattis, den sie so inbrünstig verfluchte, daß es nur so sprühte. Aber Mattis ließ sich nicht länger beschimpfen. »Kannst du deinem Weib nicht endlich das Maul stopfen, Borka?« fragte er. »Es wäre nämlich gut, wenn du hörst, was ich dir zu sagen habe.«
Ronja hatte sich dicht hinter ihn gestellt, damit er sie nicht sah. Sie selber aber sah und hörte mehr, als sie ertragen konnte. Neben Mattis stand Birk. Jetzt war er nicht länger an Händen und Füßen gefesselt, sondern trug einen Riemen um den Hals, und diesen Riemen hielt Mattis in der Hand, als habe er einen Hund an der Leine. »Du bist ein harter Mann, Mattis«, sagte Borka. »Und ein übler dazu. Daß du mich von hier fort haben willst, das versteh! ich. Aber daß du dich an meinem Kind vergreifst, um deinen Willen durchzusetzen, das ist niederträchtig!« »Ich habe dich nicht gebeten, mir zu sagen, was du über mich denkst«, antwortete Mattis. »Ich will nur wissen, wann du von hier verschwindest.«
Borka schwieg verbittert, die Worte blieben ihm im Halse stecken- Lange stand er schweigend da, und schließlich sagte er:
»Zuerst muß ich einen Platz finden, wo wir uns ohne Gefahr niederlassen können. Und das kann sehr schwierig werden. Aber wenn du mir meinen Sohn zurückgibst, dann hast du mein Wort darauf, daß wir weg sind, ehe der Sommer vorbei ist.«
»Gut«, sagte Mattis. »Dann hast du mein Wort darauf, daß du deinen Sohn zurückbekommst, ehe der Sommer vorbei ist.« »Ich meinte, daß ich ihn jetzt haben will«, sagte Borka. »Und ich meinte, daß, du ihn jetzt nicht bekommst«, antwortete Mattis. »Wir haben ja genügend Kerker in der Mattisburg. Also das Dach über dem Kopf wird ihm nicht fehlen. Das dir nur zum Trost, falls es im Sommer viel regnet.« Ronja wimmerte leise. So grausam hatte ihr Vater sich das ausgedacht, Borka sollte fort auf der Stelle. »Schneller als er seinen ersten Morgenfurz fahren läßt«, das hatte Mattis ja gesagt, sonst würde Birk bis zum Ende des Sommers in einem Verlies eingesperrt sitzen. Doch so lange würde er dort nicht am Leben bleiben, das wußte Ronja. Er würde sterben, und sie würde keinen Bruder mehr haben.
Einen Vater, den sie liebte, würde sie dann auch nicht mehr haben. Und das tat weh. Aber sie wollte Mattis strafen, auch dafür, daß sie nicht länger seine Tochter sein konnte. Oh, wie sie wünschte , daß er genausolitt wiesie, und
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