Ronja Räubertochter
wie brennend sie wünschte, sie könnte ihm alles verderben und seine Pläne zunichte machen,
Und plötzlich wußte sie, wie. Wußte, was sie zu tun hatte Schon einmal vor recht langer Zeit hatte sie es ja getan, und auch damals aus Zorn, aber nicht so außer sich vor Wut, wie sie jetzt war. Fast wie von Sinnen nahm sie einen Anlauf und flog über den Höllenschlund. Mattis sah sie mitten im Sprung, und ein Schrei brach aus ihm heraus. Es war ein Schrei, wie ihn wilde Tiere in Todesangst ausstoßen, und seinen Räubern gefror das Blut in den Adern, denn Schlimmeres hatten sie nie gehört. Und dann sahen sie Ronja, seine Ronja, auf der ändern Seite des Abgrunds beim Feind. Ärgeres hätte nicht geschehen können, und auch nichts, was so unfaßbar war.
Unfaßbar war es auch für die Borkaräuber. Sie starrten Ronja an, als hätte sich plötzlich eine Wilddrude unter ihnen niedergelassen.
Borka war genauso verblüfft, faßte sich aber bald. Etwas war geschehen, das alles änderte. Soviel war ihm klar. Hier war also Mattis' Wilddrude von Tochter gekommen, um ihm aus der Klemme zu helfen. Warum sie etwas so Wahnwitziges getan hatte, begriff er zwar nicht, aber er legte ihr flink einen Riemen um den Hals und lachte in sich hinein, während er es tat.
Dann rief er Mattis zu:
»Auch auf unserer Seite haben wir Kerker unter der Erde. Auch deine Tochter wird ein Dach über dem Kopf haben, falls es im Sommer viel regnet. Tröste auch du dich damit, Mattis!«
Mattis war jenseits von allem Trost. Wie ein angeschossener Bär stand er dort und wiegte seinen schweren Körperals wollte er einen unerträglichen Schmerz dämpfen.
Ronja weinte, als sie ihn so sah. Er hatte den Riemen, mit dem er Birk gefangengehalten hatte, losgelassen, aber Birk war neben ihm stehengeblieben, bleich und verzweifelt. Über den Höllenschlund sah er Ronja an und sah, wie sie weinte Jetzt ging Undis zu Ronja und versetzte ihr einen Knuff. »Ja, heul du nur!
Das würde ich auch tun, wenn ich ein solches Untier zum Vater hätte.«
Borka aber bat sein Weib, sich zum Donnerdrummel zu scheren. Hier habe sie sich nicht einzumischen, sagte er. Auch Ronja hatte Mattis ein Untier genannt, dennoch wünschte sie jetzt, sie könnte ihn trösten für das, was sie ihm angetan hatte und was ihn so maßlos peinigte. Und Lovis wollte ihm beistehen wie immer, wenn er in Not war. Sie stand an seiner Seite, aber er merkte es nicht einmal. Nichts merkte er. In diesem Augenblick war er allein auf der Welt.
Da rief Borka ihm zu:
»Hör mal, Mattis, willst du mir nun meinen Sohn zurückgeben oder willst du es nicht?«
Mattis stand nur da, schaukelte hin und her und antwortete nicht. Da brüllte Borka:
»Willst du mir meinen Sohn zurückgeben oder willst du es nicht?«
Endlich kam Mattis zu sich.
»Natürlich will ich das«, sagte er gleichgültig. »Wann du willst.«
»Ich will es jetzt !« rief Borka. »Nicht erst, wenn der Sommer vorbei ist, sondern jetzt!« Mattis nickte.
»Wann du willst, habe ich gesagt.«
Es war, als ginge ihn das alles nichts mehr an. Aber Borka sagte mit einem Grinsen:
»Und im selben Augenblick kriegst auch du dein Kind zurück. Tauschhandel ist Tauschhandel. Auf so was verstehst du dich doch, du Hundsfott!« »Ich habe kein Kind«, sagte Mattis. Borkas frohes Grinsen erlosch.
»Was meinst du damit? Ist das etwa eine neue Schandtat, die du da ausgeheckt hast?«
»Komm und hole dir deinen Sohn«, sagte Mattis. »Aber mir kannst du kein Kind zurückgeben, denn ich habe keins.« »Aber ich habe eins«, schrie Lovis mit einer Stimme, daß die Krähen von den Zinnen aufflogen. »Und dieses Kind will ich zurückhaben, verstehst du, Borka? Jetzt!« Dann sah sie Mattis durchdringend an.
»Auch wenn der Vater des Kindes völlig den Verstand verloren hat.« Mattis machte kehrt und ging mit schweren Schritten davon.
10.
WÄHREND DER NÄCHSTEN TAGE LIESS SICH KEIN MATTIS IN der Steinhalle blicken, und er war auch nicht an der Wolfsklamm dabei, als der Kindertausch stattfand. Es war Lovis, die gekommen war, um ihre Tochter abzuholen. Im Gefolge hatte sie Fjosok und Joen, und die beiden führten Birk zwischen sich.
Borka und Undis mit ihren Räubern warteten bereits vor der Wolfsklamm, und sobald Undis Lovis sah, keifte sie voll Zorn und Triumph:
»Ein Kindsräuber wie Mattis - man versteht ja, daß er die Schande fühlt und sich nicht blicken läßt.« Lovis war sich zu gut für eine Antwort. Sie zog Ronja an sich und wollte wortlos mit
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