Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort
heraus. »Anprobieren!«
Stefano setzte seine auf und grinste. »Klasse Tarnfarbe.«
Es war tatsächlich eine ziemlich auffällige Kopfbedeckung. Freiwillig hätte ich nie danach gegriffen. Wenn man auffällt, schauen einen immer alle an und kriegen mit, dass man gerade etwas Superblödes macht, wie Ausrutschen oder aus Versehen einen Pups lassen, den man nicht rechtzeitig spürte, oder etwas anderes, für das man sich schämt und womit man bestimmt kein Mädchen beeindrucken kann.
»Los, setz schon auf!« Val drückte mir die Baseballkappe auf den Kopf, zog am Schirm der Kappe, legte den Kopf schräg und musterte mich prüfend. »Steht dir gut.«
Okay, für Val wollte ich dann vielleicht ein ganz kleines bisschen auffallen.
»Ein Geschenk«, sagte sie. »Von mir, für meine beiden Lieblingsjungs.«
Während sie bezahlte, nahm Stefano mich mit in ein Herrenbekleidungsgeschäft. Ich war noch nie in so einem Laden gewesen. Ehrlich gesagt, fand ich ihn auch ziemlich armselig – er war vielleicht so groß wie eine Turnhalle, aber mit den dreißig Anzügen, die darin hingen, hatte man nur wenig Auswahl –, bis ich die Preisschildchen sah und begriff, dass armselig hier nicht ganz das richtige Wort war. Allein für eine Krawatte hätte ich im Supermarkt schon einen ganzen Monat Regale auffüllen müssen. Ich fühlte mich absolut nicht wohl. Der Ketchup-Fleck auf meinem T-Shirt nahm in meiner Fantasie gigantische Ausmaße an. Aber das Personal – ein paar steife Böcke, die vermutlich noch keine Miene verziehen würden, wenn der Starkicker Ruud van Nistelrooy den Laden nackt betreten und Handstand machen würde – ließ sich keinerlei Missfallen anmerken.
Am liebsten wäre ich sofort wieder gegangen, aber Stefano wollte unbedingt, dass ich einen Anzug anprobierte, denn das war offensichtlich auch so etwas, das man einmal im Leben mitgemacht haben musste. Der Verkäufer wollte mir dann auch gleich ein potthässliches Hemd dazu andrehen. Um sein pausenloses Geschwafel los zu sein, nahm ich es mit in die Umkleide.
»Ausgezeichnet«, sagte Stefano, als ich aus der Umkleide kam. »Wir nehmen alles.«
Ich sah aus wie ein alter Mann! In den Hosenbeinen war eine steife Bügelfalte.
»Bloß nicht«, sagte ich mit einem Blick auf das Preisschildchen, das an dem Oberhemd hing. »Und im Übrigen wollten wir doch etwas leihen?«
»Machen wir auch.« Stefano checkte, ob ihn auch niemand vom Ladenpersonal hören konnte. »Du darfst innerhalb von zehn Tagen umtauschen, wenn die Preisschildchen nicht entfernt wurden. Du trägst den Anzug heute Abend, wenn wir ins Restaurant gehen, und morgen bringen wir ihn wieder zurück.«
Als ich hörte, was wir bezahlen sollten, fiel ich fast in Ohnmacht, aber Stefano legte das Geld, ohne mit der Wimper zu zucken, auf die Theke.
»Mach dir keinen Kopf«, sagte er, als wir draußen waren. »Es ist nur eine Leihgabe. Morgen habe ich mein Geld zurück.«
15
Zeit: heute
Ort: Polizeiwache Francaz – Spanien
»Ich wusste nicht, dass da Zuckerwürfel drin waren«, sage ich. »Das Päckchen war von Stefano.«
Perez sieht mich mitfühlend an. Für ihn ist Stefano immer noch eine Fantasiegestalt, eine Art blauer Avatar, den ich mir ausgedacht habe. Gleich wird er mir noch sagen, dass ich verrückt bin – irre und ein Mörder. Das sind dann schon zwei Gründe, um mich für immer einzusperren.
Warte. Die Fotos!
»Meine Kamera!«, schreie ich Perez an. »Darauf sind Fotos von Stefano!«
Meine Sachen sind schon zur Untersuchung in irgendein forensisches Labor gebracht worden.
»Aber ich kümmere mich gleich darum«, verspricht Perez. »Inzwischen darfst du dich ein bisschen erholen.« Dabei sieht er mich an, als würde er mich in eine super Luxusanlage schicken, statt zurück in meine stinkende Zelle.
Zum Glück ist der Obdachlose mittlerweile weg, aber mein Bett ist immer noch so hart wie vorher und die Kakerlaken marschieren jetzt sogar die Wände hoch. Ich ziehe meinen linken Schuh aus und schiebe ihn mir über die Hand. Jetzt habe ich eine Variation zur Autopresse, eine Kakerlakenpresse. Ich zerdrücke etwa zehn mit meiner Gummisohle. Sobald die Wände von Ungeziefer befreit sind, ziehe ich meinen Wanderschuh wieder an und lege mich auf den Rücken, die Beine angewinkelt und die Hände unter meinem Kopf gefaltet.
Ich starre an die Decke.
Wenn Perez gleich die Fotos von Stefano sieht, wird er endlich begreifen, dass ich die Wahrheit sage. Bleibt die Frage mit Val. Sie hat sehr wohl
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