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Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort

Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort

Titel: Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirjam Mous
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Kaugummikugelautomaten. Darin gab es nicht nur Kaugummis, sondern auch so Kleinkram vom Wühltisch, wie Ringe und Plastikfliegen und Ähnliches.
    »Die kenne ich noch von früher!«, rief sie. »Mein Vater ließ mich immer etwas ziehen.« Sie fischte eine Münze aus der Hosentasche, schob sie in den Schlitz und drehte am Hebel. Der Automat spuckte einen Schlüsselring mit einem Minifußball aus.
    »Für dich«, sagte Val. »Den kannst du an deinen Rucksack hängen.«
    »Danke.« Vorläufig hängte ich ihn an eine Gürtelschlaufe meiner Jeans. »Zufällig bin ich Fußballfan.«
    Wir setzten uns auf die Rückenlehne einer Bank und tranken Cola. Die Riesentüte Nachos stand auf der Sitzfläche zwischen uns.
    »Geht ihr öfter in teure Restaurants?«, fragte ich.
    »Manchmal, mit der Familie. Aber nicht so oft, wie es Stefano gern hätte«, antwortete Val. »Er steht auf seltsames Essen. Hai, gebratene Heuschrecken, Kalbshirn.« Sie leckte sich mit der Zungenspitze einen Krümel aus dem Mundwinkel. »Ich ziehe eigentlich ein Happy Meal vor.«
    Gemeinsam mit Val auf einer Bank Nachos essen – was für ein Happy Meal!
    »Das ist ein Foto wert«, sagte ich.
    Noch bevor ich meine Kamera nehmen konnte, läutete ihr Telefon.
    »Wir sind in…« Sie suchte nach einem Schild mit dem Straßennamen. ». . .wie heißt das hier?«
    Stefano also. Jetzt schon.
    »Calle San Miquel«, antwortete ich, während ich inständig hoffte, er würde sich verlaufen – schließlich musste man alles im Leben mal mitgemacht haben.
    Leider haben manche Leute eine Art eingebautes Navigationssystem. Er war in drei Minuten da.
    Es war fast neun Uhr. Wir standen im Schlafsaal und hatten uns gerade umgezogen. Laut Martijn nehmen Rucksacktouristen nur die allernotwendigsten Sachen mit, um möglichst wenig schleppen zu müssen, aber Stefano hatte einen kompletten Anzug dabei. Er sah weniger schlimm aus als meiner – na ja, noch schlimmer ging’s ja auch kaum. Ich war froh, dass Menno und Tom mich nicht sehen konnten, sie hätten sich bestimmt totgelacht.
    Na, und dann Val. Ich konnte meine Augen nicht von ihr abwenden. Aus ihrem Rucksack hatte sie ein knallrotes Kleid zum Vorschein gebracht, mit so schmalen Spaghettiträgern, dass ich erwartete, sie könnten jeden Moment reißen. Und dann diese coolen Cowboystiefel! Wenn es einen Wettbewerb gäbe für den coolsten Look, würde sie sogar Beyoncé kilometerweit hinter sich lassen.
    Wir gingen zu Fuß zu Mélia. Das Preisschildchen meines Oberhemdes pikste unangenehm im Nacken und unterdessen musste ich auch noch versuchen, nicht zu schwitzen, denn ein Oberhemd mit Schweißflecken nahmen sie bestimmt nicht zurück.
    Sobald wir das Restaurant betraten, kam ein Ober auf uns zu. Als er in die Knie ging, dachte ich einen Moment, er fühlte sich nicht gut, aber offenbar war es eine Art Verbeugung zu unserer Begrüßung. Er sprach mit Stefano und hakte etwas auf einer Liste ab. Danach mussten wir bei einem Aquarium mit lebenden Hummern warten, bis uns ein zweiter Ober zum Tisch führte. Er zog einen Stuhl unter der weißen Tischdecke hervor, wartete, bis Val sich setzte, und schob ihn wieder an. Auch Stefano und ich wurden auf unseren Platz geschoben, als fehlte uns was an Händen und Füßen. Gleich würden sie uns vermutlich füttern!
    Die Karte war nicht größer als ein DIN-A5-Blatt. Dank Val brauchte ich keinen Sprachführer. Ich entschied mich für ein vegetarisches Menü mit Fisch.
    Dann sah ich ihn am Fenster sitzen. Einen Mann in einer ganz gewöhnlichen Jeans mit kariertem Hemd.
    »Wir hätten überhaupt keinen Anzug kaufen müssen«, sagte ich leise zu Val, während ich möglichst unauffällig zu dem Jeansmann hinübernickte.
    »Glaub mir ruhig«, sagte Stefano. »In Restaurants wie dieses kommen Leute unseres Alters wirklich nicht einfach so rein. Vor allem nicht, wenn man aussieht wie ein Backpacker mit wenig Geld. Sie wollen nicht das Risiko eingehen, dass man nachher nicht zahlen kann.«
    Val beugte sich vor und flüsterte: »Aber wenn man reich aussieht, so wie wir, denken sie, dass man auch reich ist. Oder in unserem Fall, dass wir reiche Eltern und eine Kreditkarte haben.«
    »Und das ist nicht so?«, fragte ich leicht beunruhigt.
    Stefano grinste. »Er hat Angst, dass er gleich abwaschen muss.«
    Die Suppe wurde in Schnapsgläschen serviert, danach aß ich winzige Tintenfische in einer köstlichen Soße. Ich vergaß das piksende Preisschildchen und den abscheulichen Anzug. Was würde Martijn

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