Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort
Nummer 25, oder?«
»Stimmt. Der Bewohner heißt Morales.« Sie öffnete den Rucksack ihres Bruders und zog einen Pappkarton hervor.
»Denk dran, dass du es ihm erst gibst, wenn er bezahlt hat.«
Das war weniger leicht. »Wie erkläre ich ihm das? Mein Spanisch…«
Sie dachte kurz nach und nahm dann einen Lippenstift zur Hand, mit dem sie 700 € auf das Päckchen schrieb. »So wird er es schon kapieren.«
Ich ging allein mit dem Päckchen zum Haus von Morales. Er öffnete selbst, denn als ich seinen Namen nannte, nickte er bestätigend. Von meiner englischen Erklärung verstand er nicht die Bohne, also zeigte ich ihm die Lippenstiftziffern auf dem Päckchen.
»Aaaah. Internet. Momento.« Er verschwand, um kurz darauf mit einem Stapel Banknoten zurückzukommen.
Ich zählte sie nach und reichte ihm das Päckchen. Transfer abgeschlossen.
Hinter mir hörte ich einen Motorroller näher kommen.
»Adiós.« Morales schloss die Tür.
Der Roller hatte ziemlich Fahrt drauf. Ich wollte schon zur Seite treten, als ich die Rucksäcke erkannte, die rechts und links am Lenker hingen. Stefano fuhr und Val saß hintendrauf. Einen Moment befürchtete ich, sie wollten sich ohne mich aus dem Staub machen, aber da bremste Stefano.
»Spring hinten auf!«, rief Val.
Ich konnte nicht anders, als ganz dicht an sie zu rutschen, denn auf dem Sattel war kaum noch Platz. Mit einem Ruck setzten wir uns wieder in Bewegung und preschten los. Ich fiel fast hinten runter durch das Gewicht meines Rucksacks. Wenn wir bloß keinen Unfall bauten! Je schneller wir fuhren, desto nervöser wurde ich. Wie kamen sie eigentlich an den Roller? War es der, den ich an der Bank hatte stehen sehen, und hatten sie ihn geklaut? Und wie kam es, dass es Stefano, der gerade noch todkrank wirkte, plötzlich auf wundersame Weise wieder besser ging?
Die Straße machte eine Kurve. Einen Moment hingen wir so weit auf der Seite, dass ich den Asphalt unter mir vorbeirasen sah. Mein Hirn stellte das Denken ein und meine Arme klammerten sich um Val. Jetzt spürte ich ihre schlanke Taille und die Rundung ihres Pos noch viel stärker als zuvor. Und als wäre das nicht genug, strichen ihre flatternden Haare über mein Gesicht. Das Gefühl war so überwältigend, dass mich alles andere auf einmal nicht mehr interessierte. Gestohlener Roller? Na und? Ich wollte nur noch den Rest meines Lebens ganz nah bei Val sitzen. Es war mir sogar egal, wie grauenhaft sentimental das klang.
13
Zeit: heute
Ort: Polizeiwache Francaz – Spanien
Stefano Reina ist nicht Stefano Reina.
Der Satz bleibt die ganze Zeit in meinem Kopf, wie so ein aufdringlicher Sommerhit, den man eigentlich schrecklich findet. Aber wer ist er dann? Ein Backpacker, den Val zufällig getroffen hat? Warum tat er dann so, als wäre er ihr Bruder? Und noch wichtiger: Warum tat Val dann so, als wäre er ihr Bruder?
»Wir waren wirklich zu dritt, da war noch ein Typ bei uns«, sage ich. »Er kann durchaus anders heißen und nicht Valeries Bruder sein, aber es gibt ihn! Sie können mich von mir aus an einen Lügendetektor anschließen, wenn Sie mir nicht glauben.«
»Kannst du ihn beschreiben?«, fragt Perez.
»Er ist zwei Jahre älter als Val und hat dunkelbraunes Haar. Er ist ungefähr so groß wie ich und… und…«
»Besondere Kennzeichen?«
»Nicht, dass ich wüsste.« Ich presse meine Finger gegen meine Stirn, bis sie vor lauter Nachdenken wehtut. »Er sieht eigentlich ganz normal aus.«
»Das hilft mir echt nicht weiter, Fin.« Perez seufzt. »Reden wir über Racotta. Dort bist du doch mit Valerie gewesen?«
»Und mit Stefano.«
»Nicht gerade der übliche Ort, an den Jugendliche reisen.«
»Stefano und Val wollten dorthin.«
»Um was zu machen?«
»Sie wollten ein Päckchen abgeben.«
»Aha, das Päckchen.« Perez schaut mich erwartungsvoll an.
Ich fühle mich unbehaglich. Habe ich vielleicht was verpasst?
»Willst du mir nicht etwas erzählen?«, fragt Perez.
»Was meinen Sie?«
»Wir wissen längst, wer dieses Päckchen in Racotta abgegeben hat.«
Er lehnt sich so weit vor, dass ich seinen stinkenden Kaffeeatem rieche. »Der Empfänger hat eine mehr als deutliche Beschreibung geliefert. Es handelt sich um einen fünfzehn, sechzehn Jahre alten Jungen mit kurzen, schwarz gelockten Haaren. Er trug einen großen grün-schwarzen Rucksack und sprach kein Wort Spanisch.« Perez lässt seine Augenbrauen hüpfen. »Kommt er dir auch so bekannt vor?«
Sehr witzig.
»Señor Morales ist bereit,
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