Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort
ein Mann mit gelben Zähnen – hing aus dem Fenster. Val ging noch immer lächelnd auf ihn zu.
Innerhalb einer Minute war alles geregelt.
»Er bringt uns nach Córbador«, sagte Val. »Ich setze mich vorne rein. Ihr dürft zu den Melonen.«
Stefano und ich warfen unsere Rücksäcke auf die Ladefläche und kletterten selbst auch darauf. Der Pick-up fuhr an. Ich stemmte meine Füße gegen eine der Kisten und starrte in die Landschaft, um nicht reden zu müssen. Zum Glück dachte Stefano genauso, denn auch er hielt den Mund.
Der Straßenrand war ockerfarben. In der Ferne sah ich Hügel, an die sich Äcker schmiegten. Die Melonen dufteten und mein Hintern schmerzte. Ich fragte mich, wo wir die nächste Nacht schlafen würden, in einem Hostel in Córbador oder auf einem Campingplatz. Ich hätte mir gern ein Zimmer oder Zelt mit Val geteilt, aber solange Stefano seiner Schwester wie ein Wachhund Gesellschaft leistete, war das wahrscheinlich nicht drin.
»Schön, dass du das Päckchen abgegeben hast«, sagte er so plötzlich, dass ich erst noch dachte, ich hätte mich verhört.
Ich winkte ab. »Kein Thema.«
»Heute Abend laden Val und ich dich zum Essen ein, als Dankeschön.«
Vermutlich auf einen Burger oder so.
»Ist nicht nötig.«
»Doch, doch. Hast du ein paar ordentliche Klamotten dabei? Ich werde versuchen, einen Tisch im Restaurant Mélia zu reservieren.« Er schnalzte mit der Zunge. »Sie hätten gern einen Michelin-Stern, da will ich mal essen.«
Wäre Martijn dabei gewesen, hätte er sich Stefano wahrscheinlich sofort in die Arme geworfen vor Glück. Aber nun ja, bei meinem Bruder geht die Liebe eben auch über seine Geschmacksnerven.
»Heftig teuer also.« Ich schüttelte den Kopf. »Rechne mal nicht mit mir. Eine Pizza hätte ich okay gefunden, aber das ist übertrieben.«
Stefano war sichtlich verärgert. »Hast du immer so viel Schiss?«
»Wovor?«
»Zu leben. Stell dir vor, dass sich dieser Pick-up gleich überschlägt…«
Hallo, Herr Optimist, können wir vielleicht über was anderes reden?
Stefano verschränkte die Arme. ».…ann ist es auf einen Schlag vorbei und wir haben nie im Restaurant Mélia gegessen.«
Ich könnte hundert Dinge aufzählen, die ich vor meinem Tod lieber machen würde, als bei Mélia zu essen, zum Beispiel mit einem Mädchen ins Bett gehen, ADO Den Haag in der Champions League mitspielen sehen oder in einem Ferrari 430 Scuderia fahren.
»Es kann wirklich jeden Moment vorbei sein«, sagte Stefano. »Also solltest du lieber jeden Augenblick genießen.«
Ach ja? Weswegen versuchte er dann, diesen Augenblick so gründlich mit seinem Gelaber zu verpesten?
Ich hatte mal einen Fernsehbeitrag über Progeria gesehen, oder wie die Krankheit hieß, bei der ein Körper viel zu schnell altert. Bei Stefano war es meiner Ansicht nach genau umgekehrt. Er sah aus wie ein normaler Achtzehnjähriger, hatte aber das Hirn eines alten Mannes. Ich meine, dieses ganze philosophische Geschwafel über Sterben und Sich-trauen-zu-leben und so. Außer seinem fossilen Gehirn hatte Stefano offenbar auch noch eine verborgene Antenne, die Gedanken auffangen konnte. Jedenfalls versuchte er es jetzt andersrum. »Val findet es bestimmt nicht gut, wenn du nicht mitgehst. »Ich glaube, sie mag dich.«
»Meinst du?«
Er brummte zustimmend. »Darf ich dir einen Tipp geben?«
Eine komplette Gebrauchsanweisung von mir aus!
»Geh nicht zu forsch ran«, sagte er. »Das mag sie nicht. Neulich war da ein Kerl, der sie ungefragt festhielt. Sie hat ihm gleich eine geknallt.«
Okay, also vorläufig keinen Körperkontakt. Ich war froh, dass Menno nicht dabei war – er hätte mich für vollkommen verrückt erklärt. Ein Mädchen, das man nicht innerhalb von zehn Minuten zum Küssen brachte, hielt er für reine Zeitverschwendung.
Ich schaute durch das kleine Fenster auf die Rückseite von Vals Kopf. Bislang hatte ich die Texte von Liebesliedern immer für lächerlich kitschig und übertrieben gehalten, aber seit ich Val getroffen hatte…
»Eigentlich will ich doch mit in dieses Restaurant. Nur, das mit der ordentlichen Kleidung – muss das wirklich sein? Ich habe nur Jeans und Shorts dabei.«
»Wir leihen dir schon was«, sagte Stefano.
Der Pick-up hielt im Zentrum von Córbador. Der Fahrer zeigte uns ein Hostel, in dem wir preiswert übernachten konnten. Daneben war ein Souvenirladen.
»Die sind ja toll!« Val stürmte auf einen Behälter mit Baseballkappen zu und zog zwei feuerrote Exemplare
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