Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort
ich mit dir zur Bank und dann lösen wir das Problem gemeinsam, okay?«
»Super.« Ich sah Val an, wie sie da im Mondlicht ging, und da erwachte doch noch so das eine oder andere in mir. Die Straße machte eine Biegung.
»Der Campingplatz«, sagte Val. »Wir sind da.«
Stefano saß vor dem Zelt und wartete auf uns. Er ließ seine Taschenlampe aufleuchten. »Seid ihr auch endlich da?«
Sobald Val ihre Tasche mit dem Geld auf seinen Schoß legte, veränderte sich seine Stimme. Er sprach freundlicher und vor allem sehr viel leiser. »Ich hatte schon Angst, man hätte euch beklaut.«
Da erst wurde mir klar, dass wir die ganze Zeit mit mindestens fünftausend Euro in bar herumgelaufen waren.
»Was macht ihr eigentlich damit?«, fragte ich.
»Das meiste geht zurück an meinen Cousin«, antwortete Stefano. »Er hat uns das Geld für die Karten vorgestreckt. Val und ich teilen uns nur den Gewinn.«
»Ich würde es schnell auf sein Konto überweisen«, sagte ich.
Val nickte. »Morgen. Dann gehen wir ja sowieso zur Bank.« Sie sah Stefano an. »Fin hat seine Bankkarte verloren.«
Manche Leute haben einen seltsamen Humor. Er brach in Lachen aus.
»Das ist nicht witzig.« Val gab ihm einen Schubs, nahm ihre Tasche wieder an sich und schnappte sich auch gleich die Taschenlampe. Sie kroch damit ins Zelt. Ich hatte wenig Lust, allein bei Stefano sitzen zu bleiben, und kroch ihr nach. Bevor wir in die Stadt gegangen waren, hatte sie ihren Rucksack ins Zelt gestellt. Sie kniete vor ihm und öffnete die Verschlussklappe.
»Danke«, sagte ich. »Dass du für mich Partei ergriffen hast.«
»Nimm es meinem Bruder nicht übel«, sagte sie. »Er steckt in einer schwierigen Phase.«
Meiner Ansicht nach wollte sie nicht, dass ich weiterfragte. Und ehrlich gesagt, war es mir auch egal.
Val begann, ihren Rucksack auszupacken. Ich dachte, sie suche, vielleicht schon nach ihrem Nachthemd oder nach Zahnbürste und Zahnpasta. Aber sie legte alle Sachen auf einen Haufen, bis ihre Tasche vollkommen leer war.
Dann gab sie mir die Taschenlampe. »Leuchte mir mal.«
Der Rucksack war nicht leer. Auf dem Grund lag ein Stapel Geld.
»Von dem Päckchen, das du in Racotta abgegeben hast«, sagte Val. »Ich hatte noch keine Gelegenheit, es zur Bank zu bringen.« Sie leerte ihre Umhängetasche und legte den Erlös aus den Konzertkarten zu dem anderen Geld im Rucksack.
»Hast du keine Angst, dass jemand damit abhaut?«, fragte ich.
»Ach was. Teure Markenkoffer, die werden gestohlen. Aber niemand kommt auf die Idee, dass in so einem verschlissenen Rucksack wertvolle Dinge stecken. Und wenn doch jemand neugierig ist, findet er nur Kleidung.«
»Es sei denn, er kippt ihn komplett aus.«
»Jetzt hör aber mal auf. Gleich mache ich mir doch noch Sorgen.«
»Berechtigterweise.«
»In deinem Fall wäre das tatsächlich so.« Sie gab mir einen neckischen Schubs. »Aber du verlierst ja sogar eine einfache EC-Karte.«
»Haha.« Ich schubste sie zurück.
Sie hielt meine Schultern fest und versuchte, mich auf den Boden zu drücken. Ich ließ mich fallen, zog sie aber mit. Sie lachte. Ich lachte. Ihr Gesicht war ganz nah.
»Na, ihr habt’s ja sehr gemütlich hier«, erklang plötzlich Stefanos Stimme hinter uns.
Lass ihn stolpern und in einen Zelthering fallen, der sich durch ihn bohrt, dachte ich.
»Und das, während vielleicht gerade jemand dein Konto plündert«, fuhr er fort.
Meine Karte. Sofort konnte ich wieder an nichts anderes denken.
»Tu nicht so blöd.« Val richtete sich auch auf und packte ihre Tasche wieder ein. Nur ein T-Shirt und ein paar Kosmetikartikel ließ sie daneben liegen. »Ich gehe Zähne putzen.«
»Jetzt schon?«, fragte Stefano.
»Ich bin müde.«
»Ich auch«, sagte ich schnell.
Eine halbe Stunde später lagen wir zu dritt nebeneinander in den Schlafsäcken. Zu meinem großen Ärger hatte Stefano gleich am ersten Tag den Platz in der Mitte eingenommen. Weil es sein Zelt war, traute ich mich nicht, etwas dazu zu sagen, und vielleicht war es in Spanien ja auch ganz normal, dass Jungen ihre Schwester vor anderen Jungen beschützen wollten.
Val und Stefano schliefen schon bald ein. Ihre Atmung war regelmäßig und entspannt.
Ich dachte an meine EC-Karte und was ich machen sollte, wenn mein Geld wirklich verschwunden war. Dann versuchte ich, an Val zu denken und meine gestohlene Karte zu vergessen, aber ich blieb wach. Ich kroch etwas tiefer in meinen Schlafsack, um mir nicht den Kopf zu stoßen. Stefanos und
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