Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort
anstrengte.
»Mit solchen Sachen darfst du nie wieder scherzen«, sagte ich. »Beim nächsten Mal bist du wirklich verletzt und dann denke ich, du machst bloß Spaß.«
Stefano nickte. »Und dann lässt er dich krepieren.«
Sie lächelte mir zu und fragte, wie sie es wiedergutmachen könne. Ich war zwar ungeschickt mit Mädchen, aber auch nicht ganz bekloppt. Das war sozusagen ein Freistoß.
»Okay.« Ich hielt ihr meine Wange hin.
Sie kicherte. »Na dann.«
Es war ein sehr kleiner Kuss, der viel zu schnell vorbei war. Danach rannte sie mit ihrem Handtuch weg, breitete es ein Stück entfernt aus und legte sich in die Sonne.
»Trottel«, flüsterte Stefano. »Nennst du das ›Es-ruhig-angehen-lassen‹?«
Ich hielt mich tatsächlich auch selbst für einen Trottel. Ich hätte ihr nicht die Wange, sondern den Mund hinhalten sollen.
Wir verbrachten unsere Tage mit Schwimmen, Schlafen und Ausgehen – auf dem Campingplatz gab es eine Disco. Stefano wurde in der Zwischenzeit wiederholt von Leuten angerufen, die Konzertkarten kaufen wollten.
»Ausverkauft«, sagte er am dritten Tag.
»Yeah!« Val jubelte leise.
Stefano wedelte mit der Adressenliste. »Ich habe von allen die Telefonnummer notiert, sodass wir jetzt durchgeben können, wann wir die Karten vorbeibringen.«
»Morgen Abend«, beschloss Val. »Dann haben sie Zeit genug, ausreichend Bargeld ins Haus zu holen, und abends sind mehr Leute zu Hause als tagsüber.«
Stefano nickte. »Okay.«
»Du brauchst nicht unbedingt mitzukommen«, sagte Val. »Du hast schon mehr als genug getan. Jetzt sind wir an der Reihe.« Sie sah mich an und zwinkerte übertrieben. »Willst du mir helfen, Fin? Bitte?«
Ich stöhnte genauso übertrieben. »Okay, okay.«
Ehrlich gesagt musste ich an mich halten, um nicht die ganze Zeit stumpfsinnig vor mich hin zu grinsen. Morgen Abend hatte ich Val ganz für mich allein!
Bewaffnet mit einer Adressenliste und einem Umschlag voller Konzertkarten spazierten wir in die Stadt. Wir waren gerade noch rechtzeitig vor Ladenschluss bei der Touristeninformation. Val beeilte sich und kam kurz darauf mit zwei Stadtplänen wieder heraus.
»Warum zwei?«, fragte ich.
»Einen für dich und einen für mich.« Sie falzte den Zettel und riss ihn durch. »Wir teilen die Karten auf. Du machst eine Hälfte und ich die andere. So sind wir viel schneller fertig.«
Hallo! Verstand sie denn nicht, dass ich nichts lieber wollte, als die Zeit auszudehnen, um so lange wie möglich mit ihr allein zu sein?
»Vergisst du dabei nicht etwas?«, maulte ich. »Ich spreche kein Wort Spanisch.«
Sie schrieb ein paar Zeilen auf die Rückseite meiner Adressenliste. »Zeig das einfach vor, dann verstehen sie es schon.«
Noch bevor ich mich ganz von meiner Enttäuschung erholt hatte, hatte sie mir auch schon den Umschlag und den Stadtplan in die Hand gedrückt und ließ mich stehen.
»Wo treffen wir uns wieder?«, rief ich schnell.
Sie zeigte auf eine Tapasbar gegenüber der Touristeninformation.
Ich setzte mich ziemlich verärgert auf eine Mauer und faltete meinen Stadtplan auf. Dann legte ich die Adressenliste daneben und machte überall dort Kreuzchen, wo ich Karten abgeben musste. Je geschickter ich meine Strecke zusammenstellte, desto schneller war ich fertig. Jede Minute, die ich ohne Val verbringen musste, fühlte sich so langweilig und nutzlos an wie eine Stunde Geschichtsunterricht, also wollte ich Kurierweltmeister werden und alle Geschwindigkeitsrekorde brechen.
Die Calle Jardín 15 war mein erstes Ziel. Innerhalb von fünf Minuten stand ich keuchend vor dem Haus und klingelte. Ein Mädchen mit Kraushaar öffnete. Sobald sie Vals Text gelesen hatte, war die Sache schnell geklärt. Ich gab ihr die Karten und sie mir das Geld. Ich tippte an meine Baseballkappe und eilte zur nächsten Adresse. So rannte ich durch La Lina, während der Kartenstapel schrumpfte und der Stapel mit den Geldscheinen immer dicker wurde.
Hoffentlich beeilte sich Val auch ein bisschen. Dann blieb vielleicht noch genügend Zeit, sie zu ein paar Tapas einzuladen. Laut meinen Zeitschrifteninformationen waren Frauen ganz verrückt auf romantische Essen.
Zum Glück war Val auch schon fertig. Ich sah sie ganz hinten in der Tapasbar an einem Tisch mit einem Eistee vor sich.
»Und ich dachte, ich sei schnell«, sagte ich, während ich ihr das eingesammelte Geld überreichte.
Sie steckte es sorgfältig in ihre Tasche. »Ich hatte die bequemere Hälfte der Liste. Die Adressen lagen
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