Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort
dieses Konto legt.«
»Das kannst du von Stefano und mir leihen. Wir haben genug Bargeld, und sobald du wieder zu Hause bist und an dein eigenes Geld kommst, überweist du uns den Betrag auf unser Konto.«
Sie hatte mein Problem auf einen Schlag gelöst! Ich hätte sie am liebsten hochgehoben und geküsst, stattdessen gab ich ihr einen ungeschickten Klaps auf die Schulter und murmelte: »Danke.«
Mein Reisepass wurde fotokopiert. Val füllte allerlei Formulare für mich aus, die ich anschließend unterschrieb. Sie gab mir Geld für mein neues Konto und schließlich bekam ich eine nagelneue spanische EC-Karte.
»Ich muss mein eigenes Geld auch noch schnell einzahlen«, sagte sie mit einem Nicken zu ihrem Rucksack hinüber.
»Holst du inzwischen eine Flasche Wasser im Supermarkt gegenüber? Ich sterbe vor Durst.«
Als wir wieder auf dem Campingplatz waren, hatte Stefano das Zelt schon abgebaut und eingepackt. Ich fand es merkwürdig, dass er nicht erst mit uns gesprochen hatte, aber zu meinem Erstaunen empfand ich keinen Ärger. Offenbar nimmt man mehr in Kauf, wenn man gerade einen Haufen Kohle von jemandem geliehen hat. Valerie tat übrigens so, als wäre es die normalste Sache der Welt, dass wir jetzt aufbrachen. Na ja, eigentlich war ich ja auch neugierig, wo wir landen würden. Val wartete nicht gern, also nahmen wir meistens den erstbesten Bus oder Zug oder wir ließen unser Ziel durch eine Mitfahrgelegenheit beim Trampen bestimmen. Mir war es durchaus recht so. Wenn man nicht von vornherein wusste, wo man die nächste Nacht verbrachte, wurde diese Art zu reisen noch abenteuerlicher, als sie sowieso schon war.
Stefano schulterte seinen Rucksack und ging voraus. Er nahm nicht den üblichen Weg an der Rezeption entlang, sondern ging zu den Zelten, die am weitesten entfernt standen, und folgte von dort aus dem schmalen Pfad, der zu einem heimlichen Ein- und Ausgang führte.
»Müssen wir nicht noch bezahlen?«, fragte ich, während wir uns zwischen den Büschen durchzwängten.
»Habe ich schon gemacht, als ihr unterwegs wart«, sagte Stefano. »Deinen Anteil kannst du mir nachher geben. Hier entlang ist es praktischer, dann kommen wir genau bei der Bushaltestelle raus.«
Der nächste Bus fuhr erst in anderthalb Stunden.
»Wir trampen«, sagte Val entschieden.
Das war leichter gesagt als getan. Es kamen drei Autos vorbei, die kurz anhielten, als sie Val sahen, und sofort wieder Gas gaben, sobald ihnen klar wurde, dass Stefano und ich auch dazugehörten.
»Drei ist zu viel«, sagte Stefano. »Wir teilen uns besser auf.«
Ich wusste sofort, welche Rechenaufgabe mich am meisten ansprechen würde. Val dachte zum Glück genauso darüber. »Geh du zuerst«, sagte sie zu ihrem Bruder. »Dann kommen Fin und ich so schnell wie möglich nach.«
Wir stellten die Rucksäcke am Straßenrand ab und drehten sie auf die Seite, damit wir sie als Sitzplätze benutzen konnten. Stefano positionierte sich ein Stück von uns entfernt und behielt die Straße im Auge. Nach drei Minuten kam ein Lastwagen. Stefano hob den Daumen und verschwand aus der Sicht, als der Lastwagen mit einem zischenden Geräusch anhielt. Ich hörte, wie sich die Tür öffnete und wieder zuschlug. Motorenlärm, immer kleiner werdende Rücklichter und dann war es still.
»Jetzt wir«, sagte Val.
Es dauerte fast eine Viertelstunde, bevor wieder ein Auto vorbeikam. Ein grauer Volvo mit einem klebrigen Baby in einem Kindersitz auf der Rückbank. Wir legten unsere Rucksäcke in den Kofferraum und schlüpften rechts und links neben das Baby. Der Mann hinterm Steuer fragte etwas auf Spanisch. Sobald Val es für mich übersetzte, schaltete auch er um auf Englisch. »Wo wollt ihr hin?«
»Das kommt nicht so genau drauf an«, antwortete Val. »Wir sagen Bescheid, wenn wir aussteigen wollen.« Sie hielt dem Baby ihren Finger hin, das ihn sofort umklammerte.
»Ist sie nicht ein Schätzchen?«, fragte die stolze Mutter, die vorn neben ihrem Mann saß.
Na und ob, dachte ich mit einem Blick auf Val, obwohl ich natürlich nur zu gut verstand, dass die Frau das Baby meinte. Ich brauchte noch lange nicht an Kinder zu denken. Vielleicht wenn Val und ich ein altes Paar um die dreißig wären…
»Macht ihr Urlaub?«, fragte der Mann.
Val und ich nickten.
»Wir sind früher auch oft mit dem Rucksack unterwegs gewesen«, sagte die Frau. »Aber seit unsere Kleine da ist, geht das nicht mehr.« Sie fing an, von allen Reisen zu erzählen, die sie gemeinsam unternommen
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