Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort
stützt sich mit dem Ellbogen auf den Schreibtisch. »Jeder, der Anzeige erstattet hat, sagt, dass ein Junge an der Tür stand. Kein Mädchen.«
Anzeige? Der Druck auf meine Brust nimmt wieder zu.
»Ein Junge mit einer roten Baseballkappe. Wahrscheinlich sprach er kein Spanisch, denn statt etwas zu sagen, zeigte er ein Stück geschriebenen Text.«
Aber was ist mit Val? Denke ich. Sie hat doch auch Karten abgeliefert?
»Er hat sehr viel Geld kassiert«, fährt Perez fort. »Mindestens hundertfünfundfünfzig Euro für jede Fake-Karte.«
»F-Fake…« Ich schnappe nach Luft.
Von wegen zehn Prozent Gewinn. Val und Stefano haben hundert Prozent Gewinn in die Tasche gesteckt. Darum war Val noch schneller fertig als ich. Diese sogenannte andere Hälfte der Adressenliste? Alles Unsinn. Wahrscheinlich hat sie sich gleich in diese Tapasbar gesetzt, ohne auch nur eine Karte abzugeben.
»D-das wusste ich nicht. Ich dachte, ich würde echte Konzertkarten verkaufen.«
»Sie waren ziemlich gut gefälscht«, sagt Perez. »Manche Fans merkten es erst, als sie bei Palau Sant Jordi ankamen und nicht reindurften.«
»Stefano und Val haben diese falschen Karten gedruckt und verkauft. Ich habe sie nur für sie abgegeben. Wirklich. Val hat diesen Zettel auf das Plakat von Alicia Keyes gehängt. Mit der Telefonnummer von Job dazu.«
»Job?«
»So nennt Stefano sein altes Telefon. Er benutzt es nur für Geschäfte. Für Privatangelegenheiten hat er ein normales Handy.«
»Weißt du zufällig die Nummer?«
»Ich nicht. Aber die Leute, die diese nachgemachten Karten gekauft haben, wahrscheinlich schon. Sie haben Stefano angerufen.«
Perez sucht zwischen den Ordnern. »Hierin sind alle Anzeigen.« Er öffnet die Akte und nickt. »Die Käufer haben tatsächlich immer dieselbe Nummer angerufen.«
Ich verspüre einen Funken Hoffnung.
»Leider ist sie deaktiviert.«
Weg ist sie wieder.
»Deswegen hatte Stefano zwei Telefone«, sage ich matt. »Sobald alle Konzertkarten verkauft waren, hat er Job weggeworfen, damit ihn keiner mehr ausfindig machen konnte.«
Perez ist wieder mit dem Computer zugange. »Prepaid«, sagt er nach einer Weile. »Der Besitzer ist nicht mehr herauszufinden.«
Ja, das sagte ich schon.
Perez hebt den Finger. »Warte. Da kommt gerade eine Nachricht vom Hostel Boquería.«
Ich kralle meine Finger in die Sitzfläche des Stuhls, während ich das Ergebnis zu beschwören versuche: drei Personen, drei Personen.
»Im Gästebuch stehen nur zwei Namen: Valerie Reina und Fin van Toor«, sagt Perez. »Eine Mitarbeiterin erinnert sich noch vage an ein Mädchen mit Cowboystiefeln und einen Jungen mit einer roten Baseballkappe. Von einem zweiten Jungen, der Stefano heißen soll, hat sie jedoch noch nie gehört.«
24
Zeit: Zwei Wochen und zwei Tage früher
Ort: Banco popular in La Lina – Spanien
Wir standen im Bankgebäude, Val und ich. Sie sprach in raschem Tempo mit einer Frau hinter dem Schalter – eine Presswurst in einem Kostüm. Draußen war es glühend heiß, aber drinnen war die Klimaanlage so hoch eingestellt, dass ich Gänsehaut auf den nackten Armen bekam. Wahrscheinlich machten sie das speziell für das weibliche Personal. Sie trugen allesamt Feinstrumpfhosen, trotz der über dreißig Grad im Schatten.
»Sie hat deine alte Karte sperren müssen«, sagte Val, »um zu verhindern, dass jemand noch etwas vom Konto holen kann.«
»Aber komme ich selbst dann noch an mein Geld?«, fragte ich beklommen.
»Später«, antwortete sie. »Wenn du wieder zu Hause bist. Dann kannst du alles erklären und eine neue Karte beantragen.«
Ich dachte an meine Mutter und ihre Prophezeiungen. Findest du es wirklich nicht schlimm, dass ich nach Amerika fliege? Es kann immer etwas passieren und dann bin ich nicht zu Hause. Wäre sie doch nur nie mit dem Saugnapf verreist, dann hätte sie mir jetzt helfen können. Ein neues Konto für mich eröffnen. Geld überweisen.
»Aber das hilft mir jetzt nichts.« Meine Stimme klang fremd, als hätte ich Stacheldraht im Hals. »Ich bin so gut wie pleite und kann zu Hause niemanden erreichen. Mein Flugticket ist erst in ein paar Wochen gültig und ich habe keine Ahnung, wovon ich bis dahin leben soll.«
Val begann wieder, auf Spanisch mit der Presswurst zu reden. »Du solltest am besten ein neues Konto eröffnen«, sagte sie dann zu mir. »Dazu brauchst du eine Adresse in Spanien, aber du könntest die von Martijn angeben.«
Ich seufzte. »Dann braucht man aber Geld, das man auf
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