Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort
er es ja zu, wenn er sieht, was er mir angetan hat.«
»Das kann ich nicht gestatten«, antwortet Perez. »Es ist gegen die Regeln, die Sicherheit von Verdächtigen aufs Spiel zu setzen. Und ehrlich gesagt, glaube ich auch nicht daran. Felipe weiß, dass die Gespräche im Verhörraum aufgezeichnet werden können, also wird er auch dir gegenüber nichts zugeben.«
Und dann habe ich den besten Einfall aller Zeiten.
»Im Verhörraum nicht, stimmt«, sage ich. »Aber wenn wir gemeinsam in der Zelle sitzen und er denkt, dass niemand uns sieht oder hört…«
38
Zeit: heute
Ort: Polizeiwache Francaz – Spanien
Ich sitze in meiner Zelle auf dem Bett. Das Adrenalin saust durch meinen Körper. Kein Wunder, dass es so lang dauerte, Perez zu überzeugen. Sein Einschätzungsvermögen ist besser als meins. Es ist fast unmöglich, meine Emotionen in den Griff zu bekommen, jetzt, da ich weiß, dass ich Felipe sehen werde. Ich will nichts lieber, als ihn verprügeln und…
In der Ferne höre ich jemanden reden.
Da sind sie!
Ich habe nur ein paar Sekunden, um diese enorme Anspannung loszuwerden. Felipe darf nichts merken. Nur wenn er keine Gefahr wittert, habe ich eine Chance. Ich hole tief Luft und lege meine Hand kurz auf meine Brust. Mein Herz pumpt wie verrückt.
Ich höre Schritte.
Perez und Felipe stehen für meinen Geschmack viel zu schnell vor der Zelle. Dreckiger Verräter. Meine Hand umklammert das Brett unter meiner Matratze.
»Stefano?«, frage ich mit gepresster Stimme.
Einen Augenblick huscht ein Schrecken über sein Gesicht. Dann reißt er sich sofort wieder zusammen und sagt etwas auf Spanisch.
»Er sagt, dass du ihn mit jemandem verwechselst«, übersetzt Perez. »Er heißt nicht Stefano, sondern Felipe.«
Die Zellentür ist offen. Felipe braucht einen Schubs von Perez, um hineinzugehen. Seine ganze Haltung strahlt Widerwillen aus. Ich freue mich, dass es ihm so schlecht geht. Das macht es leichter, ihm nicht sofort eins aufs Maul zu geben. Perez schließt die Zelle wieder und geht. Ich wage es nicht, ihm nachzuschauen, aus Angst, ich könne etwas verraten.
Felipe bleibt eine Weile schweigend stehen. Er starrt auf eine Kakerlake auf dem Boden.
»Nachts kriechen sie über dein Kissen«, sage ich.
»Heute Nacht bin ich längst hier weg. Dafür wird mein Anwalt schon sorgen.«
»Und dann? Hast du mit Val verabredet, wo ihr euch wieder trefft?«
»Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst.« Er späht durch die Gitterstäbe. Natürlich um zu schauen, ob Polizisten auf dem Gang stehen. Danach wandern seine Augen durch die Zelle. Auf der Suche nach Kameras, vermute ich. Offensichtlich ist er beruhigt. Er entspannt sich und setzt sich auf das andere Bett.
Ha, wenn er wüsste!
»Ich weiß, dass du und Val keine Geschwister seid«, sage ich.
Er zuckt die Schultern. »Na und?«
»Wenn ich eine Beziehung mit jemandem hätte, würde ich nicht wollen, dass sie auch einen anderen küsst.«
Er setzt seinen Schuh auf eine Kakerlake und dreht seinen Absatz hin und her.
»Und ich würde erst recht nicht akzeptieren, dass sie auch noch mit einem anderen ins Bett geht.« Ich kann es nicht lassen, etwas triumphierend zu grinsen. »An dem Abend, als du uns über den Notausgang in die Diskothek gelassen hast…«
»La Iguana Club?« Er lacht abfällig. »Da ist nichts passiert. Val hat dir etwas in dein Getränk getan, um dich bewusstlos zu machen.«
Das war’s mit dem Triumph. Darum konnte ich mich also an nichts erinnern. Ich bin noch Jungfrau.
Felipe hat noch immer dieses lästige Grinsen im Gesicht.
Er fühlt sich deutlich überlegen. Wenn ich Antworten möchte, werde ich sein aufgeblasenes Ego reizen müssen.
»Hat Valerie dir das weisgemacht?«, frage ich.
Er zuckt kurz zusammen.
Sehr schön. Ich habe seine volle Aufmerksamkeit.
»Dann hatte sie sicher Angst, du würdest böse, wenn du hören würdest, dass wir miteinander…« Ich hebe bedeutungsvoll die Augenbrauen. »Darum hat sie sich diese Geschichte ausgedacht. Sie wollte dich beruhigen.«
»Das stimmt nicht!«, ruft Felipe.
Ich erschrecke vor seiner lauten Stimme. Er selbst auch. Zumindest wendet sich sein Kopf zum Gang hinter den Gittern.
Nein, es kommt niemand nachsehen.
»Es war nicht Vals Idee, das Zeug in dein Glas zu schütten«, fährt er dann leiser fort. »Ich habe mir das ausgedacht.«
Wieder umklammere ich das Brett, auf dem ich sitze. Oh, wie gern würde ich ihm an die Gurgel gehen!
»Ich glaube dir kein Wort«, sage ich so
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