Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)

Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)

Titel: Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
Vom Netzwerk:
Bommarito-Gang. Als Pater Mike fertig war, sagte Henry, immer noch lächelnd: »He! Pater Mike. Ich sag ein Gebet. Ich bete.«
    Pater Mike war völlig fertig, wischte sich über die Augen und reichte Henry das Mikrophon.
    Henry grinste uns alle an. »Hi, ihr alle.« Er winkte. »Ich bin Henry. Ich bete jetzt. Ich bete für euch.« Er senkte weder den Kopf, noch schloss er die Augen.
    »Lieber Jesus! Hi, Jesus, du! Ich bete für all meine Freunde und meine Schwestern, Henrys Schwestern, und für meine Momma und mein Dad, mein Dad ist zurück, er ist hier, mein Dad ist zurück.« Er wies auf unseren Vater. Dad biss die Zähne zusammen, aber die Tränen kamen von ganz allein. Momma griff nach seiner Hand.
    »Ich bete für Amelia, wir fliegen Flugzeug zusammen, und Velvet, sie ist meine Freundin, hi, Velvet.« Velvet winkte und drückte ihr Spitzentaschentuch auf die Augen.
    »Und ich bete für euch. Ich bete für euch alle. All meine Freunde hier, ich bete für euch.« Er grinste. »Ich bete dafür, dass ihr glücklich seid. Glücklich wie ich. Henry. Ich bin glücklich. Henry ist glücklich, weil ihr alle meine Freunde seid. Darum ist Henry glücklich. Nicht alle Leute waren meine Freunde, wo ich klein war. Manche Leute waren böse. Haben schlimme Sachen mit mir gemacht.« Sein Gesicht wurde rot und verzog sich ein wenig, aber gleich darauf war es vorbei. »Ihr seid meine Freunde.« Er klatschte in die Hände. »Aber Henry ist krank. Ich hab Bauch-spei-übel-krebs. So heißt das. Total übel. Jesus hat mir im Traum erzählt, ich komm heim zu ihm. Ich geh bald. Auf dem Mondstrahl. Auf dem Sonnenstrahl. So geh ich in den Himmel.«
    Auf der Altarstufe drehte Pater Mike sich um und kniete sich vor das Kreuz.
    »Ich hab euch alle hier lieb. Ha ha! Ich lieb euch alle. Amen, Amen.«
    Und das gedämpfte Schniefen und leise Wimmern und die kleinen Schluchzer wurden zu lautem Schniefen und lautem Wimmern und lautem Schluchzen.
    »Jesus liebt euch!«, rief Henry und winkte wieder. »Ja, und wie! Jesus liebt euch!«

    Die ganze Stadt schien in Kummer zu vergehen, eine riesige Schmerzwelle, und alle wussten, dass sich dieser Schmerz nur durch Essen lindern ließ.
    Wir wurden regelrecht mit Essen bombardiert.
    Um fünf Uhr morgens begann die Attacke. Lasagne, Aufläufe, Obstsalate, Süßspeisen. Henry hatte die Idee, die Leute ins Haus zu bitten, die alles auf großen Platten brachten. »He! Das sind die Wongs! Die Wongs! Kommt rein!«, rief er oder: »Die Kids! Von der Kirche! He! Ihr bringt Henry Pizza? Ich liebe Pizza.«
    Anfangs brachte das Momma ganz aus dem Häuschen. Sie lud nämlich niemanden ein. Neben Henry, Grandma, dem Haus und der Bäckerei hatte sie einfach nicht die Zeit gehabt, schlimmer noch, sie hatte keine Freunde. Sie war zwar in Trillium River groß geworden, aber als sie dorthin zurückkehrte, schloss sie die Tür für ihre Mitmenschen.
    Falls sie jemanden eingeladen hätte, dann mit feinem Porzellan und weißer Tischdecke, so viel ist sicher. Doch das schaffte sie jetzt nicht. Momma trauerte, konnte nicht schlafen, hatte keine Hoffnung.
    Und dennoch.
    Ich sah, wie Momma sich im Lauf der Wochen veränderte. Zuerst war sie verärgert über die Besucher, verstockt, und wusste nicht, wie sie mit ihnen, ihren Geschenken und ihrer Freundlichkeit umgehen sollte.
    Aber als sich einer nach dem anderen aus der Stadt ihr zuwandte, sich uns öffnete, sah ich Mommas Herz schmelzen wie Butter in der Sonne. Uns wurden ganze Mahlzeiten von ihren Highschoolfreundinnen gebracht, die immer noch hier in der Gegend wohnten. Von Nachbarn. Von den Eltern von Cecilias Schülern. Von Bekannten.
    Als Frau, die die Gemeinheit der Menschen und der menschlichen Natur am eigenen Leib erlebt hatte, erkannte sie jetzt die Schönheit aufrichtiger Freundschaft.
    Inmitten der Flut von Großzügigkeit, Besorgnis und Trauer, die die Menschen für Henry empfanden, ihren ganz besonderen Bruder, der nicht immer gut beziehungsweise richtig behandelt worden war, begann sich ihr Herz zu öffnen.
    Wenn Grandma in ihrer Fliegermontur ins Zimmer marschierte und verkündete: »Das Wetter ist perfekt zum Fliegen. Bitte kommen Sie mit hinaus und bewundern Sie mein neues Flugzeug«, oder: »Die Eingeborenen sind zurück! Nehmen Sie sich in Acht! Sie sind meist freundlich, aber nicht immer. Darum habe ich meinen Speer dabei«, und niemand auch nur blinzelte, wenn sie tatsächlich mit einem Speer herumfuchtelte, stimmte das Momma noch milder.
    Das hier war ihre

Weitere Kostenlose Bücher