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Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)

Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)

Titel: Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
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meinst du, ob Henry Angst vorm Sterben hat?«
    Manchmal hat er diese blitzartigen Erkenntnisse und erkennt direkt die Wahrheit. Trifft ins Schwarze.
    »Ja. Hast du Angst vorm Sterben?«
    Er drückte meine Hand. »Nein, du dumme Isi. Ich hab’s dir doch gesagt. Ich hab keine Angst vorm Sterben. Jesus kommt und holt mich. Wir fliegen auf ein Mondstrahl oder Sonnenstrahl zu den Engeln rauf, und ich krieg Flügel am Rücken und leb im Himmel, und ich komm und besuch dich.«
    Es war dunkel, daher konnte Henry die Tränen nicht sehen, die mir über das Gesicht liefen.
    »Woher weiß ich, dass du mich besuchst, Henry?«
    Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er eine Antwort darauf hatte, aber er wusste eine.
    »Hm …« Er stützte das Kinn in die Faust. »Hm. Mal sehen. Lass Henry nachdenken. Hm. Ich glaub, Isi, du weißt, dass ich dich besuche, wenn der Wind in deinem Haar wühlt und es rumwirbelt, rundherum.« Er machte mein fliegendes Haar nach, obwohl ich keine Haare hatte. »Das machen meine Engelsflügel.«
    »Du wirst mein Lieblingsengel sein.«
    »Ja«, gluckste er. »Dein Lieblingsengel. Ich flieg rum. Wusch. Ich bin immer bei dir, Isi. Bin ich.«
    »Ich hab dich lieb, mein Bruder Henry.«
    »Ich hab dich lieb, meine Schwester Isi.«
    Auf dem restlichen Weg zur Kirche hielten wir uns fest an der Hand.
    Mein Kummer war so überwältigend, dass ich spürte, wie er mich von innen erdrückte.

    Am Sonntag kamen wir zu spät zur Kirche. Wir waren alle da, die ganze Bande, einschließlich Dad. Henry tappte langsam, aber lächelnd nach vorne und setzte sich in die erste Bankreihe, damit er Pater Mike helfen konnte. Wir fanden weiter hinten Platz und knieten uns erschöpft hin.
    Wir waren gestresst, angespannt und müde. Henry hatte wieder eine schlechte Nacht gehabt. Ihm war übel, und Momma, Velvet, Janie und ich hatten abwechselnd bei ihm gewacht. Dad kam um drei Uhr morgens, nachdem Momma ihn angerufen hatte, blieb über Nacht und half uns, Henry für die Kirche fertig zu machen, weil er unbedingt hingehen wollte.
    Also fielen wir auf die Knie und sprachen unsere Gebete in der Kirche. Dad senkte den Kopf, ernst, langsam, die Zähne zusammengebissen. Momma ließ ihren Rosenkranz durch die Finger gleiten. Ich sah, wie sich ihre Lippen ununterbrochen bewegten.
    Grandma betete laut, die Fliegerbrille auf dem Kopf. »Gott, hier ist Amelia. Heute bete ich für dich. Ich bete dafür, dass du all den Eingeborenen da draußen hilfst, die Hilfe brauchen, und meinem Kopiloten, der Malariafieber oder einen Pavianbiss hat, statt auf deinem Hintern zu sitzen und nichts zu tun. Hat dich der Teufel geholt, oder was? Amen.«
    Sie setzte sich und drehte Däumchen. Niemand beschwerte sich darüber, dass Grandma laut betete. Sie lebte seit Ewigkeiten in dieser Stadt, und alle waren daran gewöhnt. Viele hatten Bemerkungen darüber gemacht, dass sie die neue Grandma auf jeden Fall mehr mochten als die alte.
    »Ich möchte die Bommarito-Familie und Amelia Earhart bitten, nach vorne zu kommen.«
    Pater Mikes Worte unterbrachen meine wirren Gedanken, wobei sich die meisten um meine schleichende Depression und die Frage drehten, wie ich ohne Henry weiterleben sollte. Ich wehrte mich nach Kräften, aber ich wurde schwächer, das spürte ich.
    »Kommt nach vorne«, forderte er uns mit dröhnender Stimme lächelnd auf.
    Ich spürte, wie Momma neben mir erstarrte.
    »Momma, komm«, flüsterte ich. »Nimm Grandma mit.«
    Unnötig. Grandma hatte die Aufforderung gehört, war aufgestanden und marschierte salutierend den Mittelgang entlang. Cecilia und ich zogen Momma hoch.
    Janie legte ihre Hand auf meinen Rücken, und ich spürte sie zittern. Janie mag keine Menschenmengen, war nur wegen Henry mit zur Kirche gekommen und konnte es schon gar nicht leiden, im Mittelpunkt zu stehen.
    Cecilia und die Mädchen waren hinter mir, nachdem Cecilia ein bisschen zu laut geflüstert hatte: »Was zum Teufel ?«
    Erst später merkte ich, dass Dad nicht mit uns zum Altar gekommen war.
    Ich wurde durch Henry abgelenkt, der neben Pater Mike stand, und Pater Mike war … kahl. Ich spürte, wie mir die Kinnlade runterfiel.
    Wir halfen Momma die Stufen zum Altar hinauf. Der kahlköpfige Pater Mike strahlte uns an. Nachdem ich registriert hatte, dass Momma wieder sicher auf den Füßen stand, Grandma nicht zu Volksreden ansetzte, Janie nicht ohnmächtig geworden war und Cecilias Töchter neben ihr standen (Kayla trug heute sogar ein Kleid mit nur drei Riesenkreuzen

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