Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)
Bommaritos.
Nachdem alle Vorbereitungen getroffen und jede Menge Menschen im Haus ein und aus gegangen waren, lagen Cecilia, Janie und ich zwei Abende später im Gras und schauten unter der Weide zu den Mondstrahlen hinauf.
Wir hielten uns an der Hand.
Und weinten.
Wir konnten nicht aufhören.
Ich hasste diese Mondstrahlen.
Bei Henrys Trauerfeier war die Kirche zum Bersten gefüllt, die Menschen standen sogar in den Seitengängen.
Pater Mikes Trauerrede war wunderschön, aber er musste sich mühsam hindurchkämpfen. Immer wieder musste er absetzen, las nur wenige Zeilen am Stück, um sich dann wieder zu fangen, bevor er weitersprechen konnte.
»Henry führte ein Leben, wie Christus es sich für uns gewünscht hat. Er war gut. Er war freundlich. Er verzieh. Er half anderen. Ich kenne keinen anderen Menschen, der mehr Freiwilligenarbeit leistete als Henry. Jeden Tag half er Menschen, ohne jemals etwas dafür zu erwarten. Er wandte sich anderen voller Güte und Liebe zu. Wir alle« – er setzte ab, sammelte sich – »Wir alle müssen danach streben, mehr wie Henry Bommarito zu sein. Er ist ein gutes Vorbild. Das hätte sich Henry gewünscht. Das ist unser Gebot von Christus.«
Nach einigen Liedern und Gebeten war ich an der Reihe.
»Mein Name ist Isabelle Bommarito. Ich bin Henrys Schwester.«
Ich schaute zu Henrys anderen Schwestern hinunter. Cecilia zitterte, aber ihr Kinn war hochgereckt. Janie war am Boden zerstört, weiß wie die Wand und schwach, doch das war nichts im Vergleich zu Momma, die sich schwer auf Dad stützte, die Augen halb geschlossen. Sie war heute Morgen geradewegs in die Hysterie abgeglitten, hatte glasige Augen und abwechselnd schrille animalische Laute und ein kehliges Stöhnen von sich gegeben.
Sie befand sich in einer kalten Welt ohne Henry und hatte es nur mit schierer Willenskraft zur Beerdigung geschafft, um ihrem Sohn die letzte Ehre zu erweisen.
»Vielen Dank, dass Sie heute gekommen sind.« Ich hielt inne und ließ meinen Blick über die Menschen in der Kirche schweifen, von denen viele kahl waren. Zum überwiegenden Teil kannte ich sie.
Reiß dich zusammen, Isabelle , sagte ich mir. Reiß dich zusammen! »Vor drei Nächten lagen Cecilia, Janie und ich im Gras unter der Weide bei Grandmas Haus. Wir hielten uns im Mondlicht an der Hand und weinten um Henry.« Ich biss mir auf die Lippe. »Wir sind die Bommaritos, und wir machen so seltsame Sachen. Unsere Grandma ist Amelia Earhart …«
Grandma stand auf, salutierte und setzte sich wieder.
»Janie schreibt gruselige, furchterregende Bücher und hängt ein bisschen zu sehr an ihrem Hausboot.« Janie nickte und wischte sich mit einem Taschentuch über die Augen. Ich ließ meinen Blick auf Bob dem Macher ruhen, der zur Trauerfeier gekommen war. Wie freundlich er gewesen war, als er mich begrüßte; er hatte mich in den Arm genommen und Janie ein winziges altes Buch überreicht. Sturmhöhe. Sie hatte es an die Brust gedrückt, über alle Maßen dankbar.
»Ich mache Fotos von Menschen, die in der Hölle leben, und leide unter Depressionen. Während meiner Schulzeit war mein Ruf in Trillium River nicht gerade der beste.« Ich hörte Gelächter. »Cecilia ist eine unglaublich gute Lehrerin und Mutter mit einem Mundwerk, das jeden Fernfahrer in den Schatten stellt, und einem Temperament wie ein Tornado. Ihr alle kennt unsere Momma. Als sanftmütig würde man sie wohl kaum bezeichnen. Unsere Eltern sind nach fast dreißigjähriger Trennung wieder zusammen. Kayla und Riley sind auch ziemlich sonderbar. Sie haben unsere Gene geerbt.«
Die Mädchen nickten. Kayla machte ein Peace-Zeichen in meine Richtung.
Ich atmete tief durch.
»Die Bommaritos sind nicht normal. Ich habe mal zu Cecilia gesagt, für unsere Familie wäre es billiger gewesen, einen Seelenklempner fest anzustellen, statt Einzeltermine zu vereinbaren. Das war kein Witz. Wir sind meistens halb verrückt, und zusammen sind wir vollkommen wahnsinnig.«
Ich machte eine Pause.
»Bis auf Henry«, sagte ich leise. »Henry war nie verrückt. Nein, Henry war die einzige normale, vollkommen stabile Person in unserer Familie. Er war derjenige, der uns vereint und zusammengehalten hat. Er war derjenige, der uns Frieden gebracht hat. Er war derjenige, der uns alle hat weicher werden lassen, wenn uns die Welt zu rau, zu hart, zu abgestumpft machte. Er war der Mittelpunkt unserer Familie.«
Ich verschob meine Notizen. »Henry hat viele Dinge geliebt, aber vor allem liebte
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