Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)
weißen Blumen, den Dad hatte binden lassen.
Da drin lag Henry. In dem Kasten. Tot.
Als wir hinausgingen, beugte sich Grandma vor und küsste den Sarg. »Leb wohl, Kopilot«, rief sie und salutierte noch einmal. Feierlich nahm sie ihre Fliegerbrille ab und legte sie in die Mitte des Kranzes auf dem Sarg. Sie verbeugte sich, langsam, bedächtig, und tappte dann im Zickzack den Gang hinunter, den Rücken tief gebeugt, den Blick zu Boden gesenkt.
Nachdem wir Momma aus der Bank geholfen hatten, beugte sie sich über den Sarg. Ihr herzergreifendes, gebrochenes Wehklagen hallte durch die Kirche und fuhr allen in die Knochen.
Mit Hilfe von Dr. Silverton, Cecilias Rektor, der rasch herbeigeeilt kam, führte Dad sie halbwegs sicher den Gang hinunter.
Kayla und Riley standen zusammen am Sarg, ihre kahlen Köpfe glänzten im Kerzenlicht. »Wiedersehen, Onkel Henry. Wir haben dich lieb«, flüsterte Riley. »Danke, dass du mir immer gesagt hast, ich sei hübsch. Du bist der Einzige, der das glaubt.«
»Ich habe dich lieb, Onkel Henry«, sagte Kayla. »In all meinen Religionen kommst du direkt in den Himmel, also mach dir keine Sorgen.«
Beim Hinausgehen legte Riley den Arm um Kaylas Schultern.
Dann waren Janie, Cecilia und ich dran, Henrys Schwestern. Wir hielten uns an den Händen, beugten uns gemeinsam über das Kopfende des Sarges, wo Henrys Lächeln wäre, und drückten einen Kuss darauf, wobei sich unsere kahlen Schädel berührten.
»Ich liebe dich, Bruder«, flüsterte ich.
Wir waren einmal vier Bommarito-Kinder.
Jetzt waren wir nur noch drei.
Plus dem einen im Himmel, der auf uns wartete, mit den flatternden Engelsflügeln.
32. Kapitel
Sechs Monate später
Grandma hatte das Wohnzimmer nicht abfackeln wollen.
Schließlich war es ihr Lieblingszimmer. Dort waren ihre Flugzeugbücher und die Flugzeugmodelle untergebracht, die sie, Henry und Dad zusammen gebaut hatten.
Ich hörte, wie der Feuerwehrwagen an der Bäckerei vorbeiraste, sah Rauch in der Ferne und bekam innerhalb von wenigen Minuten einen panischen Anruf von einem Nachbarn.
Janie und ich stürzten aus der Bäckerei. Ich drehte mich zu Bao um.
»Geht, geht!«, beharrte er voller Sorge. »Ich helfe euch später!«
»Wiedersehen!«, rief Belinda.
»Grandma geht’s gut«, rief Cecilia mir und Janie zu, als wir auf meinem Motorrad in die Einfahrt bretterten. »Momma geht’s auch gut. Dad kommt aus der Firma nach Hause.«
»Was ist passiert?« Wir rissen uns die Helme herunter. Das Haus sah im Großen und Ganzen intakt aus, bis auf das Wohnzimmer. Die Flammen waren gelöscht, aber es stieg noch schwarzer Rauch auf.
Cecilia holte tief Luft. Obwohl sie auf uns zugerannt kam, war sie nicht außer Atem. Dreißig Kilo abzunehmen und viele Meilen zu laufen (»Damit ich nicht durchdrehe«) hatten Wunder gewirkt. Henry zu verlieren, hatte Cecilias Appetit abgetötet. Es hatte auch sie fast umgebracht.
»Wo sind sie?«, fragte ich.
»Hinten im Krankenwagen.«
Wir stürzten hin, mit den Nerven immer noch im Keller.
Hinter uns hörten wir Dads Geländewagen in die Einfahrt donnern. Ihn zu sehen, war eine Erleichterung. Henrys Tod hatte ihn sehr mitgenommen, und trotzdem … er war uns allen eine Stütze, hielt Momma aufrecht, bestand darauf, dass wir weitermachten. Seine Sanftmut, seine Stärke, seine Ruhe angesichts unserer wild durcheinanderpurzelnden Gefühle waren der Fels, der uns alle davon abhielt, von unseren Dämonen mitgerissen zu werden. Er verstand uns, er hörte uns zu, seine Liebe war beständig.
Ich verstand, warum Momma nie aufgehört hatte, diesen Mann zu lieben.
Ich winkte ihm zu und rannte zu Grandma und Momma.
»Grandma«, sagte ich und kniete mich hin. Sie lag festgeschnallt auf einer Trage hinten im Krankenwagen. Momma war bei ihr.
»Sie irren sich!«, korrigierte sie mich mit schwacher Stimme. »Ich bin Amelia Earhart, Pilotin der Vereinigten Staaten.«
Ich atmete aus. Sie war mit Ruß bedeckt und roch nach Rauch. Ihre Hose war angesengt. »Entschuldigen Sie. Wie geht es Ihnen, Amelia?«
»Gut. Mein Flugzeug ist abgestürzt, ich habe Rauch eingeatmet, meine Hose hat Feuer gefangen. Ich hab auch ein paar Schussverletzungen. Ich habe hier eine Mitteilung für Sie.«
Sie reichte mir einen rosa Notizzettel. Darauf war ein Smiley.
Unwillkürlich musste ich lächeln. »Oh, Amelia!« Ich nahm sie in die Arme.
»Freundlich gesinnte Menschen«, japste Grandma. »Gott sei Dank.«
»Geht’s dir gut, Momma?«, fragte ich
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