Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)
er Gott, er liebte Christus, er liebte seine Familie und er liebte seine Freunde – jeden von euch. Er liebte euch alle so sehr.«
Ich hörte, wie das Schniefen begann – jemand putzte sich die Nase, jemand anders stieß einen gedämpften Klagelaut aus. »Henry wusste, was Freundschaft bedeutete. Er wusste, was es heißt, ein Freund zu sein.« Ich wartete, damit meine Stimme wieder fest wurde. Sie bebte trotzdem. »Von Henry habe ich gelernt, was Freundlichkeit und Selbstlosigkeit sein können. Von Henry habe ich gelernt, wie ein freundliches Wort einen Tag, vielleicht sogar das ganze Leben eines Menschen verändern kann. Von Henry habe ich gelernt, ich zu sein. Dazusein. Den Augenblick zu leben. Im Leben zu sein.
Henry kannte nichts Aufgesetztes, kein Gehabe, keine Falschheit, nichts Vorgetäuschtes. Er war in schwierigen Zeiten das zuverlässige Lächeln in unserer Familie, die ständige Hoffnung.« Ich musste innehalten. »Henry brachte uns Hoffnung, und ohne Hoffnung sind wir nichts. Nichts. Henry hielt uns davon ab, vor diesem Nichts zu kapitulieren.«
Ich kämpfte gegen eine Woge von Gefühlen an. »Henry hat mir gesagt, er würde bei mir sein, wenn er gestorben ist. Ich weiß, dass er vielen von euch dasselbe gesagt hat.«
Ich sah nickende Köpfe.
»Gehen wir also davon aus, dass Henry jetzt bei uns ist. Dass er hier ist, in der ersten Bankreihe, wo er immer gesessen hat, um Pater Mike bei der Messe zu helfen.«
Ich wusste nicht, wie dieser Teil ankommen würde, beschloss aber, es einfach zu versuchen. Warum auch nicht? Henry würde begeistert sein, das wusste ich.
»Ich glaube nicht, dass ich Henry immer die Anerkennung gezollt habe, die ich ihm hätte zeigen sollen. Warum? Weil ich irrtümlicherweise annahm, dass er immer, immer, mein ganzes Leben lang, bei mir sein würde. Bei uns. Ich habe nie damit gerechnet, dass er als Erster stirbt. Ja, ich habe nicht mal damit gerechnet, dass er überhaupt sterben würde. Ich habe mir nie ein Leben ohne ihn vorgestellt, und ich muss sagen …« Wieder musste ich innehalten. »Ich muss sagen, dass ich nicht weiß, wie es weitergehen soll.«
Momma stöhnte laut und wiegte sich vor und zurück.
»In etwa dreißig Sekunden werde ich beginnen, für Henry zu klatschen. Für die unschuldige, reine Liebe, die er in mein Leben gebracht hat, für sein Lachen und seine Art, jeden Fremden zum Freund zu machen. Ich werde für sein vergebendes Herz klatschen, seine Begeisterung für Pfannkuchen zum Frühstück und für die vielen Male, die er mit Amelia Earhart geflogen ist. Ich werde dafür klatschen, wie er sich vor ein paar Monaten um mich gekümmert hat, und für all die Zeit, in der wir ihn als Kinder nicht beschützen konnten und er uns trotzdem liebte. Ich werde für die Stärke klatschen, die er damals bewies, und die Stärke, die er jetzt bewiesen hat, als er im Sterben lag. Ich werde für seinen Glauben an die Menschheit klatschen, auch wenn andere nicht immer freundlich oder nett zu ihm waren, und für seine Fähigkeit, jeden Tag als Geschenk zu sehen, und dann alle Umstehenden zu umarmen. Niemand, wirklich niemand, hat mir so viel über das Leben beigebracht wie Henry.«
Ich trat hinter dem Lesepult hervor und sagte: »Das ist für dich, Henry. Das ist für dich. «
Ich begann zu klatschen. Für Henry.
Eine erschrockene Pause trat ein, doch sie währte nicht lange.
Als Erste kam Momma schwankend auf die Füße, mit Dads Hilfe, und sie begannen gleichzeitig zu klatschen und zu weinen. Cecilia und die Mädchen sprangen auf und johlten, und Janie hob beide Hände hoch und winkte.
Grandma kam zu mir aufs Podium, zog sich die Fliegerbrille über die Augen und salutierte mehrmals, den Blick zur Decke gewandt, als würde sie Henry dort sehen.
Es dauerte keine zwei Sekunden, bis die ganze Kirche mitmachte.
Wir klatschten und klatschten. Standing Ovations. Für Henry.
Alles für Henry.
Bevor und nachdem Pater Mike und ich sprachen, wurde Weihrauch geschwenkt, Weihwasser gesprenkelt, lasen Dad, Cecilia und Janie aus dem Alten und Neuen Testament, führte Pater Mike uns im Gebet, und wir knieten, standen auf und knieten wieder. Wir empfingen die Kommunion. Eine Gruppe Jugendlicher trat auf und spielte zwei von Henrys christlichen Lieblingsrocksongs auf E-Gitarre und Schlagzeug. Kayla und Riley führten die Gemeinde durch »Jesus liebt mich«. Sämtliche Strophen. Zweimal.
Dann war es vorbei, und Henrys Sarg stand im Mittelgang, bedeckt mit einem Kranz aus
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