Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)
sterbenselend im Bett. Dafür gibt es doch bestimmt einen besseren Zeitpunkt, oder?«
»Warum nicht jetzt?«, wollte Janie wissen. Die Tränen liefen ihr über die Wangen. »Momma kann uns nicht hören, und ich will es jetzt wissen. Ich hab es satt! Ich hab dich satt, Cecilia! Deine herablassende Art, deine Kritik. Nichts, was ich mache, ist richtig. Du hältst mich für eine Verrückte, eine Verliererin. Ich bin aber keine Verliererin. «
Ich merkte, dass Janie, die absolut keine Verliererin war, allmählich die Nerven verlor. Ich tätschelte ihren Arm. Ihr Kummer tat mir so weh. »Reg dich ab, Janie.«
»Nein, ich denk nicht dran! Sag es mir, Cecilia!« Sie sprach mit zusammengebissenen Zähnen, Tränen rollten ihr über die perfekt geformten Wangen. »Sag es mir! Warum hasst du mich? Warum?«
Angesichts Janies verzweifelter Seelenqual schien Cecilias Wut so schnell in sich zusammenzufallen, wie sie entflammt war.
»Warum hasst du mich?«
Janies Worte waren fast ein Schrei. »Reiß dich zusammen, Janie!«, sagte ich. »Wir sind in einem Krankenhaus.«
»Ich weiß, dass wir im Krankenhaus sind!« Sie riss ihren Arm los und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. Ihre Stimme war hoch und zittrig. »Und ich will wissen, warum mich diese fiese, fette Kuh hasst, verdammt nochmal!«
Cecilia und ich erstarrten. Janie fluchte nur selten. Das war einfach nicht ihre Art. Obwohl sie in ihren Büchern Leute mit kreischenden Sägen massakrierte, zog sie es privat vor, so distinguiert zu sprechen wie englische Ladys aus dem neunzehnten Jahrhundert.
»Janie, ich …«, setzte Cecilia an und verbarg das Gesicht in den Händen.
»Was?«, zischte Janie und stürzte auf ihre Schwester zu. Sie verdichtete ihre Gefühle zu einem Bündel von Obsessionen und Kontrollwahn. Nie hatte ich sie so wütend gesehen. »Du bist was? Sag es mir! Hasst du mich, weil ich obsessiv bin? Zwanghaft? Seltsam? Trutschig? Was davon? Oder alles zusammen, Cecilia?« Ihr lief die Nase, aber sie machte sich nicht die Mühe, sie zu putzen. »Ich hab es nämlich satt, das nicht zu wissen. Ich hab es satt, von dir angekeift zu werden. Ich hab es satt, und ich habe dich satt.«
Cecilia sank auf einen Stuhl.
Ich hätte zu ihr gehen sollen, konnte aber nicht. Im Grunde war ich froh, dass Janie das Kriegsbeil ausgegraben hatte. Cecilia hatte es verdient.
»Janie …«, setzte Cecilia an und klopfte sich auf die Brust, auf ihr Herz. »Janie.«
Einer der Apparate piepste und zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Warum kann Familienstreit nie zum richtigen Zeitpunkt, am richtigen Ort ausbrechen? Warum explodiert er immer, wenn man keine Explosion gebrauchen kann?
»Ich bin neidisch auf dich, Janie«, sagte Cecilia mit schwacher Stimme.
»Ach, das ist ja mal was Neues«, murmelte ich. »Ich bin platt. Völlig von den Socken.«
»Du bist neidisch?«, stotterte Janie mit roten Flecken im Gesicht. »Neidisch? Wie denn das? Du hast mir selbst gesagt, ich sei die Verrückteste, der du je begegnet bist.«
»Ich bin neidisch«, flüsterte Cecilia und wagte endlich Janie anzusehen. »Du bist aus Trillium River weggegangen.«
»Nicht das schon wieder«, meckerte ich. Dieser Neid ging mir auf den Wecker. Das hatten wir schon bis zum Erbrechen durchgekaut.
Janie hielt sich die Ohren zu. »Cecilia, ich kann dein Gejammer, dass du hier festhängst, keine einzige Sekunde länger ertragen. Ich hab das schon gehört, bis ich mein rosa-weißes Geschirr vom Achterdeck auf vorbeifahrende Boote werfen wollte! Hör bitte auf, halt die Klappe, halt einfach die Klappe!«
»Könntest du mich gefälligst ausreden lassen?« Cecilias Wut kochte wieder hoch; sie klopfte sich immer noch auf die Brust. »Ich bin neidisch, weil du gegangen bist und was aus dir gemacht hast. Du bist eine Bestsellerautorin. Du bist bloß trutschig, weil du Männer abschrecken willst. Du lässt deine natürliche Schönheit verkümmern. Du versteckst dich. Du willst am liebsten unsichtbar sein. Ich bin trutschig, weil ich so fett bin wie eine Kuh.«
»Ich habe dafür gearbeitet, Cecilia«, brüllte Janie. Sie bebte am ganzen Körper. »Ich habe hart gearbeitet. Ich arbeite immer noch hart. Ich bin ein Workaholic. Glaubst du, es macht Spaß, nur Mord und Totschlag im Kopf zu haben? Glaubst du, es macht Spaß, wenn der Tatort vor dir lauert und du dich mit all den ekelhaften Details beschäftigen musst? Glaubst du, es macht Spaß sich auszumalen, wie Menschen erwürgt werden? Oder mit Hämmern zu
Weitere Kostenlose Bücher