Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)
Schweigen, das so schlimm ist, als würden wir uns gegenseitig Kanonenkugeln ins Hirn schießen.
Manchmal dauert dieses Schweigen minutenlang. Stundenlang. Tagelang. Wochenlang. Es kann sogar jahrelang dauern.
Hängt von den Schwestern ab.
Das Problematische beim Streit zwischen Schwestern liegt darin, dass die Kämpfe so rasch in Niederträchtigkeit ausarten können, mit Worten, die bis ins Mark treffen, weil Schwestern wissen, wie sie einander absolut zielsicher verletzen können. Sie haben eine gemeinsame Vergangenheit, haben Verletzungen, Kränkungen, Eifersucht und Verbitterung erlitten, und sie wissen nicht, wie sie diese Gefühle zügeln oder filtern und nicht brutal ehrlich sein sollen.
Manchmal ist es eine liebevolle Beziehung.
Manchmal ist es eine katastrophale Beziehung.
Manchmal ist es beides.
Cecilia setzte uns ab.
Keine wünschte der anderen eine gute Nacht.
Die Strafe des Schweigens, da bin ich mir sicher, wurde von Steinzeitfrauen erfunden und entwickelt, als sie mit ihren Schwestern darüber stritten, welche als Erste das Mastodon aufspießen durfte.
Am nächsten Tag arbeiteten wir wieder vom Morgengrauen an in der Bäckerei. Es war Wochenende, daher war Cecilia auch da. Sie hatte einen Babysitter besorgt, der über Nacht bei ihren Kindern blieb.
Die Atmosphäre war eisig. Janie stellte traurige klassische Musik an und schaute immer wieder sehnsüchtig auf das Foto ihrer Therapeutin.
Wir arbeiteten Hand in Hand, so wie früher, unsere Schritte wie choreographiert, unsere Bewegungen schnell. Ohne dass wir einander behinderten, arbeiteten wir effizient, rasch und gut.
Wir waren ja so gut.
Bis ich Janie schluchzen hörte.
Cecilia hörte es auch.
Janie ging in die Kühlkammer und schloss die Tür.
Cecilia und ich folgten ihr.
»Schätzchen«, sagte Cecilia, »es tut mir leid.«
Janies Kopf wackelte wie der eines Wackeldackels. »Mir … mir … mir … auch. Es tut mir leid.«
»Ich hab dich lieb, Janie.«
»Ich ha… ha… habe dich auch lieb. Und Isi. Hab dich lieb, Isi.«
Wir umarmten uns. Tränenreich, zitternd, das ganz große Drama.
Schwestern sind die Schlimmsten. Und sie sind die Besten. Eine Schwester kann schrecklich sein, kompliziert und liebevoll, beschützend, kleinkariert und ehrgeizig, aber in der Stunde des Todes ist sie diejenige, die man bei sich haben möchte, damit sie einem die Hand hält.
Jemand muss das gemeinsame Essen nach dem Trauergottesdienst organisieren, und du weißt genau, dass der Gatte das nicht auf die Reihe bekommt.
Ich weiß das mit Sicherheit.
Am nächsten Tag trank ich um fünf Uhr morgens am Ufer des Columbia River meinen Latte mit einem Schuss Kahlúa.
Die Sonne hatte ihren üblichen atemberaubenden Auftritt, der goldene Himmel war rein und sanft.
Ich sah den Windsurfer mit dem violett-roten Segel über das Wasser gleiten. Derselbe, den ich auf unserer Fahrt ins Krankenhaus gesehen hatte. Wenn ich noch Fotografin wäre, was ich nicht mehr bin (den kurzen Stich des Bedauerns im Magen verdrängte ich), hätte ich die Szene fotografiert.
Während der Schulzeit war ich mit Freundinnen und Jungs genau an dieser Stelle gewesen. Ich hatte schon oft am Columbia River gebumst. Begonnen hatte es während der Highschool.
Ich war keine Jungfrau mehr, als ich nach Trillium River kam. Meine Jungfräulichkeit hatte ich in irgendeinem Schuppen inmitten von Harken verloren. Durch den älteren Bruder einer Bekannten. Später kam er für die Vergewaltigung einer Anhalterin ins Gefängnis. Er ging mit mir in den Schuppen und küsste mich. Eigentlich machte es Spaß. Er war etwas älter, einer dieser toughen Typen, zu denen sich alle naiven Mädchen hingezogen fühlen, und er schenkte mir seine Aufmerksamkeit. Ausgerechnet mir!
Der Spaß hörte auf, als seine Hände zu suchen begannen. Ich schob sie weg, er setzte nach, drückte mich gegen einen Sack mit Dünger und sagte, ich hätte es bestimmt gerne grob.
Es gefiel mir nicht.
Es fühlte sich an, als würde mein Körper entzweigerissen; ich konnte kaum atmen. Ich war wie gelähmt, schämte mich, litt Qualen und war wehrlos, weil er meine Handgelenke über meinem Kopf festhielt. Ich zappelte; er packte mich am Hals und drückte mich zu Boden.
»Werd locker«, fuhr er mich an, als er meinen Rock hochschob, meine Unterhose zerriss und zu stoßen begann. Mein verkrampfter Körper wehrte ihn ab, als er meine Beine auseinanderdrückte, um mich weiter zu öffnen. »Bist du frigide oder was? Eine
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